Das ist nicht nur "Putins Krieg"
n-tv
Wladimir Putin ist der Hauptverantwortliche für den Krieg in der Ukraine. Doch in Russland wird dieser auch in der Bevölkerung breit unterstützt. Das macht ihn zwar nicht zu einem Krieg aller Russen. Doch eine Mitverantwortung trägt selbst die russische Opposition.
"Es ist absolut unakzeptabel, wenn bei uns Menschen, die aus Russland stammen, beschimpft, beleidigt oder körperlich angegriffen werden", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag auf Twitter. Damit hat er völlig Recht. "Denn das ist Putins Krieg. Er allein hat ihn zu verantworten", fuhr Scholz allerdings fort. In der Ukraine lösen solche Sätze breite Kritik aus. "Dies könnte ein falscher Trend in Europa werden", entgegnete etwa Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten und Mitglied der Verhandlungsdelegation mit Russland. "Denn offiziell unterstützen 71 Prozent der Russen diesen Krieg und den Massenmord an Ukrainern. Das sollte man nicht vergessen."
Tatsächlich deuten sowohl staatliche als auch unabhängige Umfragen darauf hin, dass die grundsätzliche Unterstützung für den Krieg gegen die Ukraine in Russland bei über 70 Prozent liegt. Das ist eine geradezu herzzerreißende Ausgangslage für viele Ukrainer, einschließlich des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die bis zuletzt daran glauben wollten, ein großer Teil der einfachen Russen würde sich klar gegen diesen Angriff positionieren. Sicher ist: Den Ukrainern wird es bei diesem Krieg niemals nur um Putin und die russischen Soldaten und Offiziere gehen, die in ihr Land eingefallen sind. Sie dürften Russland insgesamt den Überfall auf Jahrzehnte nicht verzeihen - und das ist auch verständlich.
Doch ist es nur "Putins Krieg" oder doch der Krieg der Russen? Eine einfache Antwort auf diese Frage ist unmöglich, das politische System Russlands ist für ein Urteil zu intransparent. Klar ist jedoch, dass die wohl vorher aufgezeichnete und geschnittene Sitzung des russischen Sicherheitsrates vom 21. Februar über die Anerkennung der selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk Hinweise gab, dass es selbst bei dieser Entscheidung keine Einigkeit in der russischen Führung gab - mal abgesehen von Hardlinern wie Staatsduma-Chef Wjatscheslaw Wolodin. Dass die extrem kapitalistisch aufgestellten russischen Eliten diesen Krieg befürwortet hätten, ist generell kaum vorstellbar. Aber ein wirkliches Mitspracherecht haben sie ohnehin nicht.