Das "Gewissen von St. Petersburg"
n-tv
Eine kleine alte Dame prangert seit mehr als zwanzig Jahren unerschrocken mit selbstgemalten Plakaten die Missstände in Putins Russland an. Auch nach dem Überfall auf die Ukraine zieht Jelena Ossipowa auf die Straße.
Es waren Bilder nach dem Geschmack der Kreml-Propagandisten: Tausende Menschen, die sich am Freitag im und um das Luschniki-Stadion in Moskau versammelten, um bei patriotischen Liedern mit russischen Fahnen zu schwenken und Putin und seine Rede zu bejubeln. Ein vor Patriotismus trunkenes Land, das hinter seinem Präsidenten und der "militärischen Spezialoperation" steht, wie Russlands Krieg gegen die Ukraine vom Kreml verharmlosend genannt wird. Das sollte die Botschaft der Bilder sein, nicht nur im Inneren, auch für das Ausland.
Trotz dieser Jubelbilder und Repression gibt es auch das andere Russland. Zu dessen bekanntestem Gesicht wurde die Journalistin Marina Owsjannikowa, die während der abendlichen Hauptnachrichtensendung des russischen Staatfernsehens ein Antikriegsplakat ins Bild hielt. Im ganzen Land gibt es mutige Menschen, die seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar gegen diesen Krieg protestieren. Sowohl in größeren Gruppen als auch durch Einzelaktionen. Nicht selten reicht dabei schon ein in die Höhe gehaltenes leeres Blatt Papier, um von der Polizei verhaftet zu werden.
Eine der regelmäßigen Teilnehmerinnen dieser Proteste ist Jelena Ossipowa. Am 27. Februar ging sie in ihrer Heimatstadt St. Petersburg auf die Straße, um gegen die Invasion zu protestieren. Ebenso am 2. März, am 11. und zuletzt am 13. März, als auf einem ihrer selbstgemachten Plakate "Putin, das ist Krieg" zu lesen war. Jedes Mal endete für Ossipowa der Protest mit einer Festnahme durch die Polizei.