Das Elend, das Katar mit aller Macht versteckt
n-tv
Eingepfercht zu siebt in einem Zimmer leben Arbeiter in Katars Industrial Area. Staub, Müll, Armut: Hier gibt es kein Glitzer und keine WM, sondern Leid und Angst. Und Alkohol unterm Ladentisch. Ein Bericht aus dem Elendsviertel, das niemand zu Gesicht bekommen soll.
Die sechs Inder lachen. Ihr Kumpel schläft, als sie ihrem Gast ihr stickiges, heruntergekommenes Zimmer zeigen, in dem sie zu siebt eingepfercht hausen. Müde wälzt sich der Schlafende herum. Blickt verdutzt in die Runde - und lacht mit. Es ist eine abstruse Situation. Gejauchze in unfassbarem Elend. Aberwitzig. Und doch so sinnbildlich für die krassen Gegensätze in Katar. Der reichsten Nation der Erde. Dem Ausrichter der pompösen, schillernden Fußball-WM 2022. Dem Land des Glitzers, der funkelnden Hochhäuser, der riesigen Shopping Malls - und der unglaublichen, versteckten Armut.
Zwölf Quadratmeter. Fünf zentimeterdünne Matratzen. Eng an eng, direkt nebeneinander auf dem Boden. Dünne Decken, ein paar alte Kissen. Kein Tisch, kein Stuhl, kein Fenster, kein Spiegel. Eine kleine Spüle, ein Kühlschrank, eine elektronische Herdplatte mit zwei alten Töpfen und einem Sieb. Daneben stehen sieben Zahnbürsten in einem Joghurtbecher. Ein kleiner Schrein für den gestaltlosen Schöpfergott der Sikh-Religion, der die sieben Inder angehören, und ein paar an einem Nagel aufgehängte Turbane zieren die ansonsten kahlen Wände. Es stinkt nach jungen Männern, ungewaschenem Bettzeug und verbrauchter Luft. Die notdürftig in der Ecke installierte Mini-Klimaanlage läuft nicht.
Die jungen Männer wohnen in einer der vielen Unterkünfte in der so genannten Industrial Area von Katar. Gute dreißig Autominuten außerhalb von Doha. Hier leben die Bauarbeiter, die die WM-Stadien, Hochhäuser und Straßen bauen, die Taxifahrer, die westliche Touristen und Fußball-Fans durch die Glitzerwelten von Lusail und The Pearl kutschieren und die Kellner, Köche und Sicherheitsleute, die in den edlen Fünf-Sterne-Restaurants und Hotels der katarischen Hauptstadt arbeiten. Sie kommen aus Indien, Bangladesch, Nepal, Sri Lanka, Pakistan, den Philippinen, dem Sudan oder Ägypten.