Das brutale Erwachen aus einer Illusion
ZDF
Im Ukraine-Krieg wird auch unsere Zukunft entschieden - haben wir Zeit, eine neue Weltordnung mitbestimmen zu können?
"Weltordnung ist eine dieser Sachen, über die Menschen nicht nachdenken, bevor es sie nicht mehr gibt", hat der neokonservative, amerikanische Intellektuelle Robert Kagan 2018 in seinem Essay: "The Jungle Grows Back” geschrieben.
Die Welt sei ein Ort, der zum Chaos tendiert. Wenn die Dinge anfangen schief zu laufen, dann können sie sehr schnell sehr schieflaufen. Wenn eine Weltordnung zusammenbricht, kommen die schlimmsten menschlichen Eigenschaften zum Vorschein und sie werden zügellos, so Kagan.
Seit gut zwei Wochen diskutieren wir öffentlich über Dinge, die vielen von uns bis dahin unvorstellbar schienen: Wir sprechen über die reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs, über den Einsatz von Atomwaffen, über das mögliche Ende der Welt.
Vorbei die Zeit, in der wir uns vormachen konnten, dass wir in einer Art Gott gegebenen Weltordnung leben, die zwar nicht ganz perfekt, aber alles in allem doch recht stabil ist. Und jetzt das brutale Erwachen aus einer Illusion, die geschürt wurde durch Geschichtsvergessenheit und dem naiven Glauben, dass der relative Frieden seit dem Zweiten Weltkrieg eine Art Selbstverständlichkeit sei, die keinen Preis hat.
Aus den Trümmern der Zerstörung, geschockt von den bestialischen Greul, dem rationalisierten Massenmord und dem unendlichen Leid der beiden Weltkriege im vergangenen Jahrhundert, die selbst Resultat einer zerfallenen Weltordnung waren, hatte sich die Welt 1945 in San Francisco versprochen, dass so etwas nie wieder passieren dürfe.
"Wir, die Völker der Vereinten Nationen [sind] fest entschlossen , künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat …" heißt es in der Präambel der Charta er Vereinten Nationen.
Die Welt schien gelernt zu haben aus einer Menschheitskatastrophe und es wuchs der Glaube, vor allem im "liberalen Westen" dass sich die Menschheit und ihre Nationen in einem Prozess des permanenten Fortschritts befinden, hin zu immer mehr Freiheit und Demokratie.