"Da oben fühlt man sich wie der größte Anfänger"
Süddeutsche Zeitung
Benedikt Doll verpasst über 20 Kilometer eine Medaille - und erklärt anschließend, wie schwer die chinesische Biathlon-Strecke auf 1700 Metern Höhe wirklich ist.
Die Kette hüpft an seinem Hals auf und ab. Quentin Fillon Maillet rammt die Stöcke in den Schnee, katapultiert sich nach vorne, springt dabei fast ins Ziel. Begleitet wird der Franzose von den Rufen der ein paar Dutzend chinesischen Zuschauer, sie sind jetzt auch verhalten zu hören im Stadion von Zhangjiakou. Das geladene Publikum wedelt auf Anweisung der Ordner mit Fähnchen und stößt einen Schlachtruf aus, es soll Stimmung herrschen in der verlassenen Arena. Es ist das Letzte, was Fillon Maillet hört, bevor er erschöpft im Schnee liegt.
Der Franzose hat sich in dieser Saison zum Seriensieger entwickelt, er führt die Gesamtwertung an - und kann sich jetzt auch Olympiasieger nennen. Im Einzel über 20 Kilometer siegte er trotz zwei Strafminuten, mit beeindruckender Laufleistung. "Es war ein wunderbarer Tag für mich", sagte der 29-Jährige, "ich hätte nicht gedacht, mit zwei Fehlern noch gewinnen zu können." Silber sicherte sich Anton Smolski aus Belarus (0 Fehler/+14,8 Sekunden) vor Norwegens Johannes Thingnes Bö (2,+31,1 Sekunden).
Der Sieger: Quentin Fillon Maillet aus Frankreich ist in dieser Saison schwer zu schlagen.
Auch die Deutschen konnten lange noch auf eine Medaille hoffen, bis Benedikt Doll beim letzten Schießen seinen zweiten Fehler des Tages fabrizierte, als Sechster kam er ins Ziel. Vom Publikum hatte er da nur wenig Notiz genommen, auch auf der Strecke herrschte "eine ganz spezielle Atmosphäre", merkte Doll an: "Man musste sich immer so ein bisschen wachschütteln: Hey Junge, du bist jetzt grad im Wettkampf."
Schläfrig wirkte Doll trotzdem nicht, er meisterte seine Aufgaben gut, aber mit dem einen Fehler zu viel. Wobei er im Anschluss nicht mit seinem letzten Stehendschießen haderte, sondern mit dem ersten Fehler des Tages. "Stehend ist nicht meine Spezialdisziplin. Eigentlich hätte ich Liegend fehlerfrei bleiben müssen", sagte Doll. Mit der viertbesten Laufzeit konnte er an seine Form von vor Olympia anknüpfen, auch wenn die Strecke in China ihre Tücken hat. "Sie sieht einfach vom Profil aus. Aber da oben fühlt man sich, als wäre man der größte Anfänger und kommt nicht mehr vom Fleck", sagte Doll, "weil man so am Schnaufen ist". Auf fast 1700 Meter kämpfen die Biathleten in China um ihre Medaillen, noch einmal rund 100 Meter höher als in Antholz in Südtirol, der höchstgelegenen Weltcup-Station.