Corona wird nicht schwächer: Impfpflicht bleibt geringstes Übel
Frankfurter Rundschau
Die Impfpflicht greift hart in die Grundrechte ein, doch wir brauchen sie dennoch. Der Leitartikel.
Corona beschäftigt, radikalisiert, entzweit die Menschen wie kaum ein anderes Thema. Kein Wunder, es geht um die eigene Gesundheit, manchmal sogar ums Überleben, um wirtschaftliche Existenzen, um Bildungschancen. Wer fragt, was sich die Menschen am meisten wünschen, wenn sie es sich aussuchen könnten, hört oft: dass alles wieder wird wie vor Corona. Ohne Angst und Einschränkungen Menschen treffen, Spaß haben, arbeiten, das Leben leben.
Die unschönen Prognosen der Fachleute sagen leider etwas anderes. Corona wird nicht einfach weggehen. Das Virus wird auch nicht, wie manche die Omikron-Variante hoffen lässt, stets schwächer, um schließlich still und leise zu verschwinden.
Es bleibt. Es wird sich fortlaufend verändern. Das wird wechselnde Gegenmittel erfordern, medizinische wie gesellschaftliche. Eine andere Gesundheitspolitik. Und viel mehr Menschen müssen immunisiert sein, damit wir aus der hässlichen Dauerschleife rauskommen: neue Virusvariante, steigende Zahlen, viele Opfer, hastige Einschränkungen, gefolgt von einer genauso schnellen Rücknahme der schützenden Schritte. Bald danach dann alles von vorne.
An der Aufgabe versagt die Politik. Selten war es der Wissenschaft gelungen, in so kurzer Zeit Erkenntnisse zusammenzutragen. Und selten haben Regierungen in Bund und Ländern die Augen davor verschlossen – wie ein Kind, das nicht sehen will, was es nicht geben soll.
Die Maskenpflicht in einer Zeit weitgehend abzuschaffen, in der sich das Virus wie noch nie verbreitet, ist das aktuelle Beispiel dafür. Nach zwei Jahren das Gesundheitssystem nicht für die Anforderungen der anhaltenden Pandemie gestärkt zu haben, ein weiteres. Die meisten Kinder und Jugendliche gehen noch immer in Tagesstätten und Schulen ohne Luftfilteranlagen; vom systematischen Fernunterricht müssen wir erst gar nicht sprechen.