
Corona-Studie gibt Hinweise auf „Patient Null“ in Deutschland – Wochen vor erstem offiziellen Fall
Frankfurter Rundschau
Laut einer Studie befand sich der erste Corona-Patient bereits im Dezember in Berlin in Behandlung befand - lange vor dem ersten offiziellen Fall.
Berlin - Im Dezember 2019 meldete die Gesundheitskommission der zentralchinesischen Stadt Wuhan Dutzende Fälle einer mysteriösen Lungenkrankheit. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zeigte sich alarmiert, wenig später wurden die Erkrankungen dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zugeschrieben. Deutschland meldete am 27. Januar 2020 den ersten offiziellen Corona-Fall. Eine am 24. März in der Fachzeitschrift Journal of Medical Case Reports veröffentlichte Studie weist nun darauf hin, dass der wahre „Patient Zero“ bereits am 30. Dezember 2019 in der Berliner Charité in Behandlung gewesen sein könnte.
Bisher galt ein Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto in Stockdorf nahe München als „Patient Zero“ in Deutschland. Doch neuesten Erkenntnissen zufolge könnte sich das Coronavirus hierzulande bereits seit Dezember 2019 verbreitet haben. „Wir berichten über einen 71-jährigen männlichen Patienten aus Deutschland, der am 30. Dezember 2019 mit einer Lungenentzündung unklarer Ätiologie und einem für eine COVID-19-Pneumonie typischen Thorax-Computertomografie-Befund in unsere Klinik aufgenommen wurde“, so das Forscherteam um Antonia Petersen von der Klinik für Radiologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin in der aktuellen Studie. Im medizinischen Bereich bezeichnet Ätiologie die Ursache für das Entstehen einer Krankheit.
Die Befunde der Computertomografie wiesen laut Studie das charakteristische Aussehen und Verteilungsmuster einer Covid-19-Pneumonie auf. „Metaanalysen haben gezeigt, dass die Thorax-Computertomografie bei Patienten mit Covid-19-Symptomen eine Sensitivität von über 90 Prozent aufweist“, erklärten die Forscher die Genauigkeit ihrer Ergebnisse. Dementsprechend sei es wahrscheinlich, dass der Patient der Charité Berlin einer der frühesten Corona-Fälle in Deutschland sei. Auch der klinische Verlauf stimme mit dieser Annahme überein.
Die Diagnose konnte allerdings nicht mittels PCR-Test bestätigt werden, da für eine spätere Analyse keine Blutproben des Patienten mehr vorlagen. Laut WHO gilt die retrospektive Untersuchung der Thorax-Computertomografie aber als geeignetes Mittel zum nachträglichen Nachweis von Covid-19. Den Fall entdeckten die Forschenden eigenen Angaben zufolge, als sie nach Beweisen dafür suchten, dass sich SARS-CoV-2 früher als offiziell bestätigt in Deutschland verbreitet hatte.
Der mutmaßlich erste Corona-Patient Deutschlands war Raucher, übergewichtig und hatte in der Vergangenheit bereits einen Schlaganfall erlitten, womit er zur Risikogruppe zählte. Der 71-Jährige habe bei der Einlieferung unter anderem eine Sauerstoffsättigung von 90 Prozent gezeigt, die Herzfrequenz habe 92 Schläge pro Minute betragen und die Körpertemperatur sei auf 37,8 Grad erhöht gewesen, eine Infektion mit Legionellen oder Streptokokken sei nicht vorgelegen.