Corona-Proteste in Kanada eskalieren: Ottawa im Belagerungszustand
Frankfurter Rundschau
Seit 13 Tagen blockieren Lastwagen Kanadas Hauptstadt Ottawa. Die Polizei soll diesem Corona-Protest nun ein Ende machen.
Ottawa - Die Polizeiführung der kanadischen Hauptstadt Ottawa setzt nun auf die Unterstützung durch Polizeikräfte des Bundes und der Provinz: Sie sollen helfen, die Blockade der Innenstadt und die Belästigung der dort lebenden Menschen durch den Protest der Lkw-Fahrer:innen zu beenden. Ein schnelles Ende der Protestaktionen ist aber nicht in Sicht.
Der Protest, der sich gegen die Impfpflicht für Lkw-Fahrer:innen im grenzüberschreitenden Verkehr mit den USA richtet und die Aufhebung aller Corona-Vorschriften fordert, hatte am 28. Januar begonnen. Mit dem „Freedom Convoy“ (Freiheitskonvoi) wurden Hunderte Lastwagen in die Stadt gefahren, die seitdem wichtige Straßen und Kreuzungen blockieren. Ottawas Polizeichef Peter Sloly muss nun einräumen, dass die Polizei den Protest völlig unterschätzt hatte.
Die teils sehr aggressiven Parolen der Protestierenden richten sich insbesondere gegen Premierminister Justin Trudeau, den sie als Mörder mit Spritze darstellen, seine Inhaftierung fordern und mit Obszönitäten wie „Fuck Trudeau“ beschimpfen. Dass angesichts dieser Vorkommnisse die Proteste auch von konservativen Abgeordneten im Parlament als „friedlich“ und „patriotisch“ bezeichnet werden, ist für viele Menschen in der Hauptstadt Zynismus. Trudeau lehnt Verhandlungen mit den Protestierenden ab. Die meisten Einschränkungen in der Pandemie wurden ohnehin nicht von der Bundesregierung, sondern von Provinzen erlassen. Trudeau könnte der Forderung nach Aufhebung aller Restriktionen allein aus verfassungsrechtlichen Gründen also nicht folgen. Einige Provinzen haben inzwischen aber die Abkehr von Covid-Einschränkungen angekündigt. Dazu gehören der Verzicht auf Impfpässe und Maskenpflicht.
Ein Richter hatte zu Wochenbeginn mit einer einstweiligen Verfügung das sofortige Ende des nahezu permanenten Hupens in Ottawa erwirkt, was den Menschen in der Innenstadt zunächst eine Erleichterung brachte. Der ohrenbetäubende Lärm, der von laufenden Motoren der Schwerlaster und den Hupen ausging, war zehn Tage lang ein Desaster für sie gewesen. Eltern berichteten von den Ängsten ihrer Kinder, die nicht schlafen konnten und immer wieder aufschreckten. Ältere und Menschen mit Behinderung wagten sich nicht auf die Straßen.
Immer wieder kam es vor, dass Personen, die sich mit Mund-Nasen-Bedeckung in die Innenstadt begaben, von den Lkw-Fahrer:innen und ihrem Anhang verhöhnt und belästigt wurden. „Einer kam auf mich zu und versuchte, mir den Mundschutz vom Gesicht zu reißen“, erzählt eine Frau. Eine andere berichtete, dass sie beim Joggen übel beschimpft und beleidigt wurde. Das vereinzelte Sichten der aus den USA stammenden sogenannten Konföderiertenflagge, die ein Symbol für Sklaverei und Rassismus ist, beunruhigt Menschen aus ethnischen Minderheiten.