Corona: Neue Erkenntnisse zu Antikörpern – und ein fataler Trugschluss
Frankfurter Rundschau
Eine neue US-Studie zu Corona zeigt, dass ungeimpfte Genesene nach 20 Monaten noch Antikörper gegen das Virus in sich tragen. Was bedeutet das für die Impfstoffe?
Baltimore – „Die Omikron-Variante verursacht weniger starke Symptome als die bisherigen. Die Corona-Pandemie* ist fast vorüber. Auch ohne Impfung bilden Menschen Antikörper gegen das Virus“, solche Aussagen liest und hört man dieser Tage wohl häufiger. Ist eine Impfung jetzt nicht mehr nötig? Forschende aus Baltimore in den USA* veröffentlichen ihre neuen Erkenntnisse nun und scheinen ins gleiche Horn zu blasen: Sie konnten bei ungeimpften Genesenen noch 20 Monate nach einer Infektion Antikörper finden. Das klingt ganz danach, dass eine Impfung überflüssig sein könnte. Könnte man denken. Doch Antikörper heißt nicht Immunität.
Antikörper alleine bedeuten noch keinen wirksamen Schutz vor einer Infektion, auch wenn sie zahlreich im Körper vorzufinden sind. Die Wissenschaft kennt das Problem schon lange: Die Worte, die sie benutzt, sind schnell falsch verstanden. Die Wissenschaftler von der Johns Hopkins Universität in Baltimore machen sogar von sich aus quasi präventiv darauf aufmerksam, dass „Antikörperspiegel allein nicht direkt mit der Immunität gleichzusetzen sind“.
Aber vorhandene Antikörper, das hat mit der Immunität doch etwas zu tun? Die Wissenschaft würde sie sich sonst doch nicht anschauen. Stimmt, aber sie sind nur ein Teil unseres sehr komplexen Immunsystems. Forschende sehen sich die Antikörper an, weil sie ein Teil dieses Systems sind. Ein bildlicher Vergleich: Nur weil ein Schüler viele Stifte mit in der Schule dabei hat, heißt das noch nicht, dass er sich im Unterricht besonders gut machen wird. Auch wie schnell er sie abnutzt oder verschusselt, ob er also nach 20 Monaten noch welche davon übrig hat, ist kein richtiger Anhaltspunkt für seine Leistung.
Es kommt eben darauf an, was er damit macht. Klar, wenn er gar keine Stifte hätte, dann würden wir nicht davon ausgehen, dass er besonders gut mitarbeiten kann. Aber wie viele Stifte ein Schüler hat, sagt uns noch nichts über seinen Notenspiegel. Natürlich hinkt der Vergleich im Kontext des viel komplizierteren Immunsystems. Diesen einen Punkt verdeutlicht er aber.
Wenn man nun von den Antikörpern nicht auf die Immunität von ungeimpften Genesenen schließen kann, wie unterscheidet sich der Schutz Genesener und Geimpfter dann überhaupt? Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, erklärt gegenüber der Tagesschau, warum der Genesenenschutz nur sehr schwer zu erfassen ist: „Das hängt sowohl von der Variante und der Menge an Virus ab als auch vom Verlauf. Leichte Verläufe haben oft auch eine geringere Immunantwort zur Folge“.