Corona-Impfstoff: „Die Macht von Pharmakonzernen ist ungebrochen“
Frankfurter Rundschau
Anne Jung, Referentin bei der Menschenrechtsorganisation Medico International, über die deutsche Blockade, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe auszusetzen.
Frankfurt – Seit es Impfstoffe gegen Corona gibt, wird über deren Verteilung diskutiert: Wie kann ein global grassierendes Virus auch global bekämpft werden? Viele Länder aus dem globalen Süden, wo oft erst wenige Menschen geimpft sind, fordern eine Aussetzung des Patentschutzes, um die Vakzine selbst günstig herstellen zu können. Der Norden, auch Deutschland, schützt seine Pharmafirmen und deren Profite und blockiert. Anne Jung gehört zu denen, die sich dagegen von Anfang an gewehrt haben.
Frau Jung, Europa schickt große Mengen Corona-Impfstoffe in den globalen Süden, und die Firma Biontech hat vor wenigen Tagen angekündigt, in mehreren afrikanischen Ländern Produktionsanlagen für Vakzine aufzustellen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagt: „Ich bin überzeugt, das ist der richtige Weg, um ganz Afrika unabhängiger von den Lieferländern zu machen.“ Hat er nicht recht?
Die glänzend weißen Biontech-Container lassen auf den ersten Blick vermuten, dass der afrikanische Kontinent die Impfstoffproduktion nun in die eigenen Hände nehmen kann. Doch das ist ein Trugschluss: An Afrikas Abhängigkeitsverhältnis von privaten Unternehmen ändert sich überhaupt nichts. Die Macht von Pharmakonzernen ist ungebrochen, der Zugang zu ihrem Wissen bleibt den afrikanischen Ländern weiter versperrt und damit auch der Gestaltungsfreiraum. Die Kernforderung der Afrikanischen Union an Europa lautet daher weiterhin, die Patente auszusetzen und einen echten Technologietransfer zu ermöglichen, um kostengünstig und schnell Impfstoffe produzieren zu können.
Mehr als 100 Staaten, Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt und Nobelpreisträger:innen fordern seit langem bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe, Tests und Medikamente. Zur Erinnerung: Warum soll das so viel besser sein?
In einem Satz: weil auf diese Weise die Kontrolle über die lebenswichtigen Impfstoffe bei Regierungen liegen würde und nicht bei Pharmaunternehmen. Schon in der Aids-Krise sind auf dem afrikanischen Kontinent Hunderttausende gestorben, weil die Menschen die völlig überteuerten Preise nicht zahlen konnten. Dies dem Markt zu überlassen, ist einfach lebensgefährlich, damals wie heute.