Christine Korsgaard „Tiere wie wir“: Hege und Pflege moralischer Maßstäbe
Frankfurter Rundschau
Christine M. Korsgaard will nicht nur bei Tierfreunden Zustimmung finden, sondern eine breite Leserschaft von einer Ethik gegenüber der Gattung Tier überzeugen.
Christine M. Korsgaard, Professorin für Philosophie an der Harvard-Universität und dort Nachfolgerin auf dem Lehrstuhl des großen John Rawls, hat eine Monographie zur Tierethik verfasst, die binnen kurzem weit über die USA hinaus große Aufmerksamkeit gefunden hat. Die Schrift ist an Begriffsklärungen, Pro- und Contraargumenten, an Literaturkenntnis und Gedankenexperimenten so reich, dass man von einem kleinen Meisterwerk sprechen darf. Entstanden ist sie zu einem erheblichen Teil aus renommierten Gastvorlesungen. Sie ist schon deshalb gut lesbar, aber auch ein wenig breitatmig. Der Untertitel verdient nicht nur bei Tierfreunden Zustimmung, der deutsche Haupttitel hingegen irritiert. Fraglos trifft zu, dass unsere Gattung Tiere etwa durch Domestikation zu „Dienstleistern“ für uns herangezüchtet hat. Auch hat sie namentlich Hunde und Katzen, aber auch Schildkröten, Papageien und andere Tierarten zu Begleitern ihres sehr persönlichen Lebens gemacht. Diese Aktivitäten legen nun mehr als bloß nahe, was Korsgaards Untertitel behauptet: dass „wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben“. Teils verstärkt, teils erweitert werden diese Pflichten durch anderes, Aktivitäten wie das Überjagen und Überfischen, wie die riesigen Rodungen. Wegen dieser und weiterer zweifellos negativer „Leistungen“ ist die Menschheit zum erfolgreichsten Raubtier der Naturgeschichte geworden, das zudem so töricht ist, ihr Beutetier, damit eine Grundlage der bisherigen Lebensweise, zu gefährden, mancherorts sogar auszurotten. Schon aus diesen Gründen kann der Mensch schwerlich leugnen, gegenüber Tieren moralische Pflichten zu haben. Nicht dieselbe Überzeugungskraft wie der Untertitel hat der deutsche Haupttitel: „Tiere wie wir“. (Der Originaltitel spricht umsichtiger von „Fellow Creatures“, Mitgeschöpfen.) In einem wörtlichen Verständnis sind Menschen „natürlich“ zoa, Lebewesen im zoologischen Sinn. Und viele Tierarten verfügen, wie zu Recht Korsgaard immer wieder hervorhebt, über erstaunliche geistige, emotionale und soziale Fähigkeiten.More Related News