
Christian Schmidt: Stillstand in Bosnien aufbrechen
DW
Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina hat über Änderungen im Wahlgesetz entschieden - vorwiegend technischer Natur. Im Vorfeld gab es große Proteste gegen ihn. Im DW-Gespräch erklärt er sein Handeln.
Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina (OHR) hat eine wichtige Rolle: er überwacht die Umsetzung der zivilen Aspekte des Daytoner Friedensabkommens, mit dem 1995 der dreieinhalbjährige Krieg im Land beendet wurde. Dafür verfügt er über sehr weitreichende Vollmachten. Er kann beispielsweise Gesetze er- oder bestimmte Personen aus staatlichen Ämtern entlassen. Zurzeit bekleidet der frühere deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt die Funktion des Hohen Repräsentanten.
Als vor wenigen Tagen in der bosnischen Öffentlichkeit ein Dokument auftauchte, das angeblich vorbereitete Entscheidungen über einige Änderungen im Wahlgesetz enthalten sollte, löste das einen Sturm der Entrüstung aus. Vor allem von Seiten der Bosniaken, die im Land die Mehrheit stellen, wurde Schmidt vorgeworfen, die ethnische Teilung in Bosnien weiter zu vertiefen und die Kroaten gegenüber den Bosniaken zu bevorteilen. Manche hochrangige bosniakische Politiker deuteten sogar die Möglichkeit neuer bewaffneter Konflikte an.
Nun hat der Hohe Repräsentant seine Entscheidungen verkündet. Von den im Vorfeld angekündigten Veränderungen der Wahlmodalitäten, die durchaus Folgen für die Zusammensetzung des Parlamentes in der bosniakisch-kroatischen Föderation zur Folge hätten, ist nichts geblieben. Vorerst wurden nur einige technische Entscheidungen getroffen. Sie sollen ermöglichen, die im September anstehende Parlamentswahl besser durchzuführen.
Im Gespräch mit der DW weist Christian Schmidt entschieden Vorwürfe zurück, wonach er vorgehabt habe, mit Gesetzesänderungen die ethnische Spaltung des Landes voranzutreiben: "Manche Menschen hatten den Eindruck, man würde damit nur diejenigen belohnen, die in einem Gebiet mit vielen ethnischen Landsleuten leben, etwa Kroaten bei Kroaten. Darum ging es aber überhaupt nicht. Und vor allem, es darf auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden, man wolle eine Aufteilung von Bosnien und Herzegowina in unterschiedliche Volksregionen vollziehen. Nein, um Gottes Willen! Ich bin ja gerade dazu da, dass ich das verhindere, ich bin dazu da, die sogenannte territoriale Integrität aufrechtzuerhalten."
Ihm ginge es vielmehr darum, so Schmidt, bestehende Mängel zu beseitigen: "Einerseits ist leider das Wahlrecht für die allgemeinen und freien Wahlen in Bosnien und Herzegowina noch verbesserungsbedürftig, wenn es um die Verhinderung von Wahlbetrug geht. Etwa die falsche Auszählung der Stimmen, oder wenn jemand versucht, mit Hassreden Einfluss zu nehmen und andere bedroht. Da habe ich das Strafmaß erhöht. Ich entspreche damit übrigens den Vorstellungen des Europarats und der Venedig-Kommission (Anm.d.Red.: Die Venedig-Kommission berät den Europarat juristisch). Ihre Vorschläge wurden von allen Parteien in Bosnien Herzegowina unterstützt. Und was ist passiert? Nichts. Es ist im Parlament gescheitert. In zwei Monaten sind Wahlen, und man muss die Sachen, die noch notwendig sind und gemacht werden können, implementieren. Und das habe ich jetzt getan, auch in einer gewissen Abstimmung mit der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft."