China und Deutschland: Floskeln für Baerbock, ein „herzliches Willkommen“ für Lindner
Frankfurter Rundschau
In Berlin traf Chinas Außenminister auf eine resolute Annalena Baerbock. Finanzminister Lindner wartet hingegen weiter auf ein Treffen mit seinem Amtskollegen.
München/Berlin – Es waren widersprüchliche Signale, die am Montag aus China kamen. Zunächst verkündete Peking überraschend, dass Außenminister Qin Gang schon am nächsten Tag in Berlin auf seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock treffen werde. Baerbock, die im April in China war, habe Qin zu einem Gegenbesuch eingeladen, hieß es. Ebenso überraschend und nicht weniger kurzfristig ploppte wenig später eine weitere Nachricht auf: China habe den für Mittwoch geplanten Peking-Besuch von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner abgesagt, angeblich aus „terminlichen Gründen“, wie Lindners Ministerium mitteilte. Auf den chinesischen Vorschlag, das Treffen mit Chinas Finanzminister Liu Kun ein paar Tage später nachzuholen, habe man nicht eingehen können, hieß es weiter.
Über die Gründe für die Absage des Lindner-Besuchs wird auch am Tag danach munter spekuliert. Hat in Chinas Ministerialbürokratie ein Mitarbeiter schlichtweg bei der Terminplanung geschlampt? Muss Liu wirklich zu einem Treffen mit Staatschef Xi Jinping außerhalb von Peking, wie zu hören war? Oder ist es doch ein gezielter diplomatischer Affront, weil sich Lindner in der Vergangenheit, auch in der jüngeren, immer wieder kritisch über Chinas Russland-, Hongkong-, Taiwan- und Menschenrechtspolitik geäußert hat?
Gegen letztere Lesart spricht, dass Außenminister Qin Gang am Dienstagnachmittag wie angekündigt nach Berlin zu Annalena Baerbock flog – die ebenfalls nicht im Verdacht steht, allzu China-freundlich zu sein. Von einem Reporter gefragt, ob China etwas gegen Lindner habe, huschte ein Lächeln über Qins Gesicht, bevor er erklärte: „Herr Finanzminister Lindner ist natürlich herzlich bei uns willkommen“. Dass der Besuch verschoben werden musste, habe lediglich „technische Gründe“ gehabt, die man bitte „nicht überinterpretieren“ solle.
Ansonsten hatte Qin Gang für Baerbock vor allem altbekannte Floskeln im Gepäck. So forderte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erneut eine „politische Lösung“ für den Ukraine-Krieg und behauptete, China spiele in dem Konflikt eine „konstruktive Rolle“ und sei gar ein „Wahrer des Weltfriedens“. Allerdings verlangte Qin erneut nicht, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen müsse; auch die russischen Kriegsverbrechen verurteilte er nicht.
Annalena Baerbock hingegen wiederholte einen Satz des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu, jetzt passgenau gemünzt auf Peking: „Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen.“ Wenn Peking davon spreche, die Prinzipien des Völkerrechts müssten aufrechterhalten werden – dann gelte das selbstverständlich auch für die Ukraine. China, so Baerbock, „kann als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine bedeutende Rolle zur Beendigung des Krieges spielen, wenn es sich dazu entscheidet“.