Carole King – von der auch die Beatles abschrieben
Frankfurter Rundschau
Mit „Tapestry“ setzte sie einen Meilenstein der Popgeschichte – Carole King zum 80. Geburtstag.
Es war zweifellos einer der emphatischsten Augenblicke der jüngeren Popgeschichte, als Aretha Franklin sich mit Handtasche und in einem dicken Pelzmantel während einer Gala im Beisein von US-Präsident Barack Obama ans Klavier setzte und ihren Hit „Natural Woman“ spielte und sang. Eine Diva mit dem Charme einer bodenständigen Hausfrau, so mochte es scheinen.
In der Version von Aretha Franklin war „Natural Woman“ immer auch als ein Stück zugleich schwarzer und weiblicher Emanzipation wahrgenommen worden. Anerkennung, so geht ja daraus hervor, kann nicht einfach nur behauptet, sie muss vom anderen auch entgegengebracht werden.
Weniger kraftvoll, fast brüchig wurde „Natural Woman“ 1971 von Carole King auf deren Album „Tapestry“ intoniert. Mit einem handlichen Bündel herausragender Kompositionen hatte sie die Songschreiberei ihrer Zeit revolutioniert. Natürlich gab es zuvor bereits die Leichtigkeit von Hal David und Burt Bacharach, die mit Dutzenden Hits unter Beweis stellten, dass leichte Muse, intelligente Texte und unverwechselbare Melodien kein Widerspruch sein müssen.
Carole King jedoch verlieh dieser Klangschule eine angenehme Frische, indem sie ihrer zerbrechlichen Anmut eine herzhafte Rauheit verlieh – Jazz, Soul, R’n’B, Rock, wozu um Himmels Willen sollte man das alles genau voneinander unterscheiden wollen?
Allein die Besetzung von „Tapestry“ mit James Taylor, Danny Kortchmar, Russ Kunkel, Joni Mitchell und Curtis Amy könnte ein dickes Buch angemessener Ehrerweisungen füllen. Dabei bedurfte es erst der hartnäckigen Überzeugungsarbeit von James Taylor, Carole King zum Singen ihrer eigenen Songs zu bewegen. Gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Gerry Goffin hatte sie bereits seit den frühen 60er Jahren eine einzigartige Songschreiber-Werkstatt unterhalten, aus der bereits 1961 „Will You Still Love Me Tomorrow“ für die Girlgroup The Shirelles hervorging. „The Loco-Motion“ für Little Eva etablierte zugleich den gleichnamigen Tanz, und „Take Good Care Of My Baby“ verlieh Bobby Vee vorübergehend ein wenig Berühmtheit. Den Everly Brothers bescherte sie „Cryin’ In The Rain“. John Lennon und Paul McCartney gestanden später, sich anfangs vor allem an den Songs Carole Kings orientiert zu haben.