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Bundestagswahl: Im Wahlkampf pfeift man auf die Frauen
Frankfurter Rundschau
Was wird sich nach der Bundestagswahl 2021 ändern? Frauen können mit ihrer Stimme frauenpolitische Relevanz stärken. Der Leitartikel.
Das Bild ist zweifellos beeindruckend: Breit lachend und mit offenen Armen präsentiert Altkanzler Konrad Adenauer seinen Nachfolger Ludwig Erhard. Hinter den beiden Alphatieren versammelt sind dunkle Anzugträger in ebenfalls bester Laune – wichtige Politiker aus der Entourage. Alles Männer, keine Frau. Nicht eine einzige. Ein Foto von 1963, ein politisches Sittengemälde aus vergangener Zeit. Sollte man meinen.
Frauen entscheiden die Wahl. So heißt es doch, oder? Rechnerisch gesehen ist das sogar richtig. Schließlich gibt es bei der Bundestagswahl 2021 kommenden Sonntag zwei Millionen mehr weibliche Stimmberechtigte als männliche. Doch was sagt das tatsächlich aus, wenn es um die Relevanz von Frauen im politischen Raum geht – knapp 60 Jahre nach der männlichen Ikonografie der Adenauer-Ära? Ist da der Spruch von den Wahlentscheiderinnen nicht mehr als ein schlechter Witz?
Der bisherige Wahlkampf lässt diesen hässlichen Schluss durchaus zu. Themen, die Frauen unmittelbar und sehr viel stärker betreffen als Männer, waren in den Auseinandersetzungen der Parteien marginal präsent und schon gar nicht wichtig. Selbst die Kanzlerkandidaten – allerdings nicht die Kandidatin – scheinen aufs weibliche Wahlvolk gründlich zu pfeifen.