Bundestagswahl 2021: Wie wär’s mal mit einer Minderheitsregierung?
Frankfurter Rundschau
Und nun? Was aus diesem Ergebnis der Bundestagswahl 2021 für das Land folgt, liegt in der Hand der Parteien. Begreifen sie wenigstens jetzt, um wie viel es geht? Der FR-Leitartikel.
Bei aller Sparsamkeit mit großen Worten: Diese Bundestagswahl könnte als Zäsur in die deutsche Geschichte eingehen. Zum einen natürlich, weil es um die Frage ging, wer das Erbe der Ära Angela Merkel antritt. Zum anderen aber, noch wichtiger: Der 26. September 2021 hat die neue Unübersichtlichkeit des Parteiensystems wohl endgültig besiegelt.
Das Zerbröseln der alten Ordnung ist hier und da beklagt worden, und tatsächlich ist ja spätestens seit der Jahrtausendwende etwas verloren gegangen. Die ehemaligen Volksparteien SPD und jetzt auch CDU/CSU haben einen Großteil ihrer Bindekraft eingebüßt. Sammelten sie im 20. Jahrhundert zusammen um die 90 Prozent der Stimmen ein, reichte es 2005 bei Angela Merkels erster Kür noch für knapp 70 Prozent. Jetzt ist es gerade so die Hälfte.
Ist das wirklich ein Verlust? Müssen wir als Wählerinnen und Wähler traurig sein, weil wir heutzutage sogar an Wahlabenden nicht wissen, welche Regierung wir bekommen? Nein, das müsste kein Nachteil sein – wenn das politische Personal endlich die richtigen Lehren zöge. Aber daran bestehen erhebliche Zweifel, und das hat eine Menge mit der Fixierung auf ein Phantom zu tun: die „Mitte“.