Boris Rhein: Was den Nachfolger von Ministerpräsident Bouffier erwartet
Frankfurter Rundschau
Der hessische Landtagspräsident Boris Rhein soll Ende Mai neuer hessischer Ministerpräsident werden. In seinem neuen Amt müsste er viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen.
Wiesbaden – Besonders viel Zeit wird Boris Rhein nicht bleiben. Sollte der hessische Landtagspräsident wie geplant Ende Mai zum neuen hessischen Ministerpräsidenten gewählt werden, bliebe ihm noch ein gutes Jahr bis zur nächsten Landtagswahl im Herbst 2023. Der Wahlkampf dürfte also direkt mit Rheins erstem Arbeitstag in der Staatskanzlei beginnen. Und damit ist auch schon umrissen, wie viele Aufgaben der 50-jährige Jurist aus Frankfurt in seinem möglichen neuen Amt gleichzeitig wird stemmen müssen.
Rein aus Gründen des Machterhalts muss es Rhein zunächst gelingen, die schwarz-grüne Koalition mit ihre äußerst knappen Mehrheit von nur einer Stimme im Landtag zusammenzuhalten. Diese Aufgabe könnte sich als alles andere als banal erweisen, schließlich war es in vielen heiklen Momenten Ministerpräsident Volker Bouffier, der in den Koalitionsrunden den Regierungsladen zusammengehalten hat. Und da die Grünen recht offen auf die Staatskanzlei schielen und im Windschatten der breiten Klimadebatte und der Ampelkoalition in Berlin auf Stimmenzuwächse hoffen dürften, könnte es durchaus Friktionen zwischen CDU und Grünen geben – auch wenn die Koalition seit 2014 meistens erstaunlich geräuschlos zusammengearbeitet hat.
In der Öffentlichkeit muss Rhein sich zugleich als neuer Regierungschef bekannt machen und versuchen, seinen Amtsbonus für den Wahlkampf zu nutzen. Dabei wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als potenziellen CDU-Wähler:innen einerseits politische Kontinuität zu signalisieren und sich andererseits von Volker Bouffier, seinem Vorgänger als Partei- und Regierungschef, abzusetzen. Er wird den Hessinnen und Hessen eine Vision präsentieren müssen, wohin er das Land und seine CDU steuern will. Zugleich könnte es nach der kommenden Landtagswahl mehrere mögliche Optionen für eine Regierungsbildung geben, so dass Rhein inhaltlich ausreichend offen auftreten muss.
Abgesehen von der reinen Machtarithmetik würde Rhein als Ministerpräsident eine Reihe politischer Probleme und offener Fragen erben, mit denen er als Regierungschef umgehen muss. Als Erstes gilt das ganz sicher für die Innenpolitik: Hessen wird seit drei Jahren von einem schweren Polizeiskandal erschüttert, der aktuell zwar nicht mehr täglich Schlagzeilen macht, dessen Folgen aber bei weitem nicht bewältigt sind.
Der Skandal um die Drohungen des „NSU 2.0“ und illegale Datenabfragen an hessischen Polizeicomputern, um rechte und rassistische Chatgruppen unter Polizist:innen bis hin zur Auflösung des Frankfurter Spezialeinsatzkommandos wiegt immer noch schwer. Eine eigens eingesetzte Kommission von Expert:innen hat im Sommer vergangenen Jahres einen Katalog mit Vorschlägen für eine umfassende Polizeireform vorgelegt, die dabei helfen soll, ein neues Leitbild für die hessische Polizei zu entwerfen und das Vertrauen der Bürger:innen in die Institution wieder zu stärken. Als ehemaliger Innenminister ist Rhein dazu prädestiniert, in dieser Frage politische Führung zu zeigen. Dabei wird er auch entscheiden müssen, ob sein Parteifreund Peter Beuth für die nötigen Reformen als Innenminister noch der richtige Mann ist.