
Boris Palmer in Frankfurt: Auftritt eines Hoffnungslosen
Frankfurter Rundschau
Der Auftritt von Boris Palmer bei einer Konferenz zur Migration ist ein Tiefpunkt der Debattenkultur um rassistische, koloniale oder sexistische Begriffe
An der Frankfurter Goethe-Universität sollte eine wichtige Frage diskutiert werden: Wie steuert man Migration, wie gestaltet man Pluralität, welche Herausforderungen gibt es, auf welche Konzepte kann man zurückgreifen. Doch alles kam ganz anders, als es sich die Veranstalter gedacht hatten. Trotz der bereits im Vorfeld geäußerten Kritik an der Zusammensetzung der Konferenz – man unterstellte etwa dem Soziologen Ruud Koopmans fälschlicherweise eine anti-muslimische Haltung – hoffte man auf den Zwang des stärkeren Arguments in einem möglichst herrschaftsfreien Diskurs.
Was vom Tage übrig blieb? Eine aus dem Ruder gelaufene Konferenz, bei der der Moderator nicht weitermachen will, eine gigantische mediale Wirkung, die sich nicht dem Thema der Migration, sondern der Verwendung des N-Wortes widmet und ein wieder mal in den Fokus geratener Oberbürgermeister aus dem beschaulichen Tübingen.
Diese Schieflage ist einer Person geschuldet: Boris Palmer, der sich nicht allein durch seine bisherigen Auftritte das Prädikat des Provokateurs, sondern auch als jemand, dem von einigen Seiten rassistische Tendenzen nachgesagt werden.
Der Anlass der Eskalation ist nunmehr bekannt, die FR berichtete in der Zeitung und im Internet ausführlich darüber. Palmer trifft auf Demonstranten vor der Goethe-Universität, die ihn mit seinem Verhältnis zum Gebrauch des N-Wortes konfrontieren. Für den Provokateur eine Steilvorlage. Er lässt sich nicht lange bitten und benutzt das Wort, auch als ein Mann mit schwarzer Haut ihm das Mikrofon vor die Nase hält, quasi um zu prüfen, ob er, Palmer, sich auch das traut. Palmer benutzt das Wort erneut, die Menge johlt und schäumt. Sie skandiert: Nazis raus! Palmer macht mit, klatscht wie die anderen rhythmisch dazu, ruft: Nazis raus. Denn dafür sei er ja auch. Er würde sich nur nicht gerne diffamieren lassen, nur weil er ein Wort gebrauchte. Als Referenzgröße, durch ein Merkmal als Mensch definiert zu werden, zog er den Vergleich zum Judenstern heran, womit er sich den Vorwurf der Holocaust-Relativierung zuzog. Sein Anwalt Rezzo Schlauch entzog ihm daraufhin die Freundschaft und auch die Bereitschaft, Palmer in Zukunft juristisch zu verteidigen – wegen der historischen Parallele zum Judenstern als Symbol der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland. „Da gibt es nichts mehr zu erklären, zu verteidigen oder zu entschuldigen“, so Schlauch.
Palmer hatte die Demonstranten darauf hingewiesen, dass eine Debatte über das N-Wort in literarischen Texten anders geführt werden müsse, als im Falle des Gebrauchs des Wortes durch einen Neonazis, der schwarze Menschen damit diffamiere. Dabei gebrauchte Palmer das Wort immer wieder selbst, verwies darauf, dass es sich hier um einen Sprechakt handele und er daher nicht als Nazi anzusehen sei. Was er dabei vergaß, war, dass Sprechen eben auch Handeln ist, und er einen Begriff verwendet, der sich gegen Menschen richtet und gerichtet hatte, um diese in ihrem Menschsein maximal zu diffamieren. „Worte sind Taten“, sagte schon der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein. Besonders daran hätte Palmer sich bei seiner Anlehnung an Sprechakte erinnern sollen.