Boric, der Präsidentschaftskandidat aus dem Eis
n-tv
In der wichtigsten Präsidentschaftswahl Chiles seit dem Ende der Militärdiktatur geht es um viel. Der 35-jährige Gabriel Boric will den Umbau zum Sozialstaat. Vor zehn Jahren legte er als Studentenführer die Grundlagen dafür. Sein Widersacher verteidigt das neoliberale Modell.
Zugespitzter geht es wohl nicht mehr. "Kast und Piñera sollten sterben", tönt Camila Moreno von der Bühne in der chilenischen Hauptstadt Santiago, und fordert das Publikum einer Wahlveranstaltung zum Mitklatschen auf. Die Sängerin hatte ihren Song "Quememos el reino" ("Lasst uns das Königreich niederbrennen") martialisch umgedichtet. Die öffentliche Empörung, wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in Chile, der wichtigsten seit Ende der Militärdiktatur 1990, folgte auf dem medialen Fuße.
Im neben Kolumbien einzigen OECD-Land Südamerikas steht am heutigen Sonntag im Grunde zur Abstimmung, ob die größtenteils neoliberale in eine soziale Marktwirtschaft umgewandelt werden, der Staat die Sozialsysteme ausbauen und mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit garantieren soll. Nach Neumitglied Costa Rica ist Chile das ungleichste Land der OECD. Der erzkonservative José Antonio Kast ist dagegen, der sozialdemokratische Gabriel Boric dafür. Es ist eine epische Stichwahl um die Zukunft Chiles, das Land, in dem das neoliberale Modell spätestens mit der Revolution von der Straße 2019 an seine Grenzen gestoßen ist.