Boccia gegen Berührungsängste
Frankfurter Rundschau
Seit 1984 gehört die traditionsreiche Sportart zu den Paralympics - nun hilft sie, Berührungsängste abzubauen.
Zu den bekanntesten Parasportlern in Deutschland zählen: Markus Rehm, Rekordweitspringer mit Hightechprothese. Andrea Eskau, rasende Handbikerin. Und Niko Kappel, durchtrainierter Kugelstoßer. Rehm, Eskau und Kappel haben schon viele Titel gewonnen. Doch nicht nur deshalb seien sie interessant für Publikum, Medien und Sponsoren, sagt Thomas Abel, einer der Paralympics-Experten der Deutschen Sporthochschule in Köln: „Wenn Markus Rehm eine Jeans anhat, dann sehen wir nicht mal, dass es da eine Behinderung gibt. Und wenn sie jemanden im Rollstuhl sehen, kennen wir das auch: Die Mimik und Gestik sind kaum verändert. Da haben wir irgendwie kaum Berührungsängste.“ Thomas Abel möchte nicht falsch verstanden wissen. Er will Sportarten und Klassifizierungen von Behinderungen nicht gegeneinander ausspielen, aber er wünscht sich, dass die Paralympics die gesamte Vielfalt ihrer sportlichen Bewegung abbilden. Daher lenkt er die Aufmerksamkeit auf Boccia, eine paralympische Sportart für Menschen mit teils schweren Behinderungen. Einige Spieler haben eine infantile Zerebralparese, eine frühkindliche Hirnschädigung. „Deshalb sind Muskeln nur noch schlecht anzusteuern oder haben ein Eigenleben“, sagt Abel. „Andere Spieler haben Zuckungen oder vielleicht einen fehlenden Mundschluss. Das macht einem Teil des Publikums manchmal Sorgen.“ Boccia kann Berührungsängste abbauen. Ein Spiel mit Wurzeln im alten Ägypten, im Detail entwickelt im 16. Jahrhundert in Italien. Boccia gehört seit 1984 zu den Paralympics. Die Spieler oder Spielerinnen müssen einen Lederball möglichst nah an einer zuvor geworfenen Kugel platzieren. Boccia erfordert keine Schnelligkeit, Explosivität oder Kraft, sondern Technik, Konzentration und Genauigkeit. Die Sportler, die je nach Beeinträchtigung in vier Klassen antreten, sind meist im Alltag auf Rollstuhl und Assistenz angewiesen. „Einige Spieler können nur den Kopf bewegen“, sagt Thomas Abel. „Doch sie zeigen: wettkampforientierter Sport ist möglich. Es geht nicht um Mitleid, sondern um systematisches Training und Höchstleistungen.“More Related News