Blick ins Herz der Milchstraße
ProSieben
So schwierig wie ein scharfes Bild von einem Welpen zu machen, der seinen Schwanz jagt: So umschreibt ein Forscher die Herausforderung, die schnell wechselnde Umgebung des Schwarzen Lochs im Herzen unserer Milchstraße klar abzubilden. Und doch ist die Sensation nun gelungen.
Wie fotografiert man ein Objekt, das von Natur aus unsichtbar ist? Vor diesem Problem stehen Astronomen seit den ersten theoretischen Spekulationen über Schwarze Löcher - Objekte, deren Schwerkraft so gewaltig ist, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann. Die Antwort: Man nimmt nicht das unsichtbare Objekt selbst auf, sondern seine unmittelbare Umgebung - und macht es so als dunkle Mitte in einem leuchtenden Ring sichtbar. Dieser Coup ist einem internationalen Forscherteam nun zum zweiten Mal gelungen - diesmal mit dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. "Was gibt es cooleres, als das Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Milchstraße zu sehen?", sagte die beteiligte Informatikerin Katie Bouman vom California Institute of Technology bei einer Pressekonferenz in den USA.
"Wir haben das nächste Level erreicht", freute sich Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, einer der Haupt-Initiatoren des EHT-Projekts. "Ich bin stolz auf unser gesamtes weltweites Team." Für die Aufnahme seien die größten Radioteleskope der Welt zu einer einzigen Kamera von der Größe der Erde vereint worden. Vincent Fish vom MIT Haystack Observatory in den USA erklärte, dass die Teleskope etwa dreieinhalb Petabyte an Daten gesammelt hätten - was rund 100 Millionen TikTok-Videos entspreche. "Es sind viel zu viele Daten, um sie über das Internet zu streamen. Wir müssen tatsächlich Festplatten herumschicken."
Ein Vergleich mit Computermodellen zeige unter anderem, dass das Schwarze Loch rotiert, berichten die Wissenschaftler in einer Sonderausgabe des Fachmagazins "Astrophysical Journal Letters". Für die Aufnahme wurden acht Radioteleskope auf vier Kontinenten zusammengeschaltet. Gemeinsam bilden sie das "Event Horizon Telescope" (EHT, Ereignishorizont-Teleskop). Als Ereignishorizont bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt - weil aus dem Bereich dahinter nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann.
Die Daten der Teleskope werden mit speziellen Supercomputern kombiniert, so dass sich ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde ergibt. Es besitzt eine Detailschärfe, mit der sich vom Mond aus eine Apfelsine auf der Erde identifizieren ließe, wie beteiligte Forscher einmal erläuterten. Oder aber von Berlin aus eine Zeitung in New York lesen.