Birgit Vanderbeke ist tot – Dem Unaussprechlichen eine Form geben
Frankfurter Rundschau
Schreiben mit dem Zauberschlüssel: Zum Tod der Schriftstellerin Birgit Vanderbeke, die 65 Jahre alt wurde.
Avignon - Alles begann mit dem „Muschelessen“, der Erzählung, die sie 1990 in Klagenfurt vortrug, für die sie dann den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt und die umgehend zum Bestseller wurde. „Dass es an diesem Abend zum Essen Muscheln geben sollte, war weder ein Zeichen noch ein Zufall, ein wenig ungewöhnlich war es, aber es ist natürlich kein Zeichen gewesen... .“
So atemlos beginnt der erste Satz, weil da eine etwas dringend zu erzählen hatte, wofür sie aber erst die Worte aufnehmen musste und aneinander reihen, im richtigen Rhythmus, so, dass alles Drängende, Wichtige, ja im Grunde Unaussprechliche, dann seine Form findet. Birgit Vanderbeke hat einen eigenen Ton in die deutschsprachige Literatur gebracht. Am 24. Dezember ist sie, wie der Piper-Verlag am Dienstag mitteilte, im Alter von 65 Jahren überraschend gestorben.
Sie hatte einen klaren Blick und ein feines Ohr für die Verrenkungen, die Menschen anstellen, wenn sie nie aussprechen, was sie sagen wollen. Etwa in „Alberta empfängt einen Liebhaber“ (1997). Und sie erzählte vom Leben mit einem Kind, als das noch selten war in der deutschen Literatur, in „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ (1999). Auch schrieb sie vom Zusammenkommen der Verschiedenen in „Abgehängt“ (2001) oder „Die Frau mit dem Hund“ (2012). Und immer wieder brachte sie Verletzungen zur Sprache, die sich Menschen, die einander doch nah sein sollten, zufügen.