Bayerns Basis
Frankfurter Rundschau
Obwohl Nagelsmann grundsätzlich lieber ein 5:2 statt ein 1:0 sieht, wird er wissen: Die in Frankfurt gezeigten Tugenden sind die Basis für Trophäen.
Julian Nagelsmann spricht mitunter schnell – und packt viel Inhalt in seine Ausführungen. Sehr flüssig ging dem Trainer des FC Bayern über die Lippen, was ihm am Samstag im Frankfurter Stadtwald alles an seiner Mannschaft gefallen hatte. Nötige Ruhe, gute Kontrolle, stabile Verteidigung. Eigentlich Attribute, die sein Luxuskader wie selbstverständlich aufbieten sollte. Doch irritierende Auftritte, über Bochum und Salzburg sogar noch gegen Fürth, hatten am Selbstverständnis gerüttelt – und den 34-Jährigen dazu animiert, bei seinen Führungskräften mal nachzuhorchen, ob er vielleicht die Herangehensweise grundsätzlich überdenken solle.
Nagelsmann bekam erst ein positives Feedback und dann auf dem Platz die beste Resonanz, die sich ein Trainer wünschen kann. Denn abseits einer etwas fahrlässigen Chancenverwertung gab es wenig bis gar nichts zu mäkeln. Sein Team hatte auch ohne Manuel Neuer und Thomas Müller in einer höchst intensiven Partie alles unter Kontrolle. Joshua Kimmich und Niklas Süle ragten heraus, weil sie in ihren Mannschaftsteilen als echtes Sicherungssystem wirkten. Kimmich bot seine beste Partie seit seiner Covid-Infektion, gab sechs Torschussvorlagen – und leitete mit einem perfekten Flachpass das 1:0 von Leroy Sané ein.
Hinter ihm stand Süle fast immer richtig. Der gebürtige Frankfurter stellte seinen robusten Körper dazwischen oder spielte seine Schnelligkeit aus – und gewann 87 Prozent seiner Zweikämpfe. In dieser Form darf sich Bayern-Rivale Borussia Dortmund auf eine echte Verstärkung freuen. Überhaupt entschieden die Bayern annähernd zwei Drittel der direkten Duelle für sich – einen solchen Wert hatte es diese Saison noch in keinem Bundesligaspiel gegeben.
Dass Kimmich kurz vor Schluss noch Haudrauf Lucas Hernandez nach einer Grätsche feierte, passte zu mentalitätsstarken Münchnern. Diese defensive Verlässlichkeit wird es brauchen, wenn die Bayern mit den Heimspielen gegen Bayer Leverkusen und RB Leipzig bald die wichtigste Jahreszeit einläuten: das Frühjahr, in dem sich in der Champions League entscheidet wie die Premierensaison unter Nagelsmann zu werten ist. Der ehrgeizige Fußballlehrer, bislang im Seniorenbereich noch ohne Titel, ist die Schale etwas Besonderes, für seinen Arbeitgeber aber fast schon eine erwartete Auszeichnung. Das Abschneiden in der Königsklasse bestimmt entscheidend das Gesamturteil. Obwohl Nagelsmann grundsätzlich lieber ein 5:2 statt ein 1:0 sieht, wird er wissen: Die in Frankfurt gezeigten Tugenden sind die Basis für Trophäen.