Bach wendet sich von Putin ab
Frankfurter Rundschau
IOC und IPC wechseln offenbar den Kurs: Zu den Menschenrechtsverletzungen in China kommt der Krieg in der Ukraine – und damit der Bruch mit dem Olympischen Frieden
Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg und viel Glück. Vielen Dank. Frieden!“, rief Andrew Parsons am vergangenen Freitag in das Pekinger Stadion. Wobei das Fernsehpublikum im Gastgeberland China nicht alles von dem, was der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) sagte, gut mitbekommen konnte. Das letzte Wort in Parsons‘ Rede auf Englisch – Peace – übersetzte der Dolmetscher nicht entsprechend.
Es hat ins Bild gepasst von „Beijing 2022“: Offiziell liefen die Olympischen und Paralympischen Spiele in der chinesischen Hauptstadt unter dem Motto „Together for a Shared Future“ – Gemeinsam für eine geteilte Zukunft. Hinter dem Schein der Sportparty zur Völkerverständigung ist aber Vieles abgelaufen, das mit Frieden und Gemeinsamkeit wenig zu tun hat. Im Gastgeberland China fallen zuerst die Konzentrationslager im Nordwesten auf, wo vor allem Uiguren festgehalten werden. Hinzu kommen die Unterdrückung der Menschen in Tibet sowie diverse Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land, unter anderem die Presse- und Meinungsfreiheit.
Und dann begann die Regierung Russlands noch vor zwei Wochen einen Krieg in der Ukraine. Der Olympische Frieden – der kurz vor Beginn der Spiele noch von jedem Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen unterzeichnet wurde und bis sieben Tage nach Ende der Paralympics die Welt zum Frieden aufruft – ist damit gebrochen. Und die Regierung Chinas hat sich als Olympiagastgeberin bisher nicht von Russlands Regierung distanziert – toleriert also offensichtlich den Krieg. Hat so auch der Sport einen großen Teil normativen Kraft verloren?
Einerseits haben die großen Sportinstitutionen zuletzt kaum noch einen Ruf zu verlieren gehabt, gibt Pierre Thielbörger zu Bedenken. Der Professor für Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum und der Hertie School in Berlin sagt: „Ich glaube, dass die Verbände, die hinter diesen Veranstaltungen stehen, eher private Institutionen sind. Die lassen sich mal dazu bewegen, Statements zu erlassen. Aber im Kern sind sie von Interessen Dritter geprägt, und von Geldflüssen stark beeinflusst.“
In anderen Worten: Organisationen wie das Internationale Olympische Komitee, das Internationale Paralympische Komitee oder auch der Fußballweltverband Fifa hätten sich ohnehin nie primär an Kriterien wie Menschen- oder Völkerrecht orientiert. Andererseits sei die Ukraine-Invasion durch die russische Regierung eine Stunde der Wahrheit. Dabei scheinen zumindest das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das IPC jetzt aufzuwachen. IOC-Präsident Thomas Bach veröffentlichte am Freitag ein Statement, in dem es unter anderem heißt: „Wir werden die Personen und Organisationen, die für diesen Krieg und den Bruch mit dem Olympischen Frieden verantwortlich sind, weiterhin zur Rechenschaft ziehen. Daher sollen keine Sportveranstaltungen auf den Territorien der Russischen Föderation oder der Republik Belarus stattfinden.“