
Ausnahmezustand in Österreich: Jetzt entscheiden Grüne über das Schicksal von Sebastian Kurz
Frankfurter Rundschau
Kanzler Sebastian Kurz und seine Regierung in Österreich befinden sich erneut in einer schweren Krise. Die nächsten Tage sind entscheidend.
Wien - Im Mai 2019 sprengte das Ibiza-Video* die damalige türkis-blaue Koalition. „Whoah! We‘re going to Ibiza“, dröhnte es damals über den Wiener Heldenplatz. Tausende Menschen hatten sich dort versammelt, um Neuwahlen zu fordern. Österreich war im politischen Ausnahmezustand, es folgten eine unabhängige Übergangsregierung und Neuwahlen. Zweieinhalb Jahre später ertönte der mittlerweile ikonische Song der Band Vengaboys wieder durch die Straßen Wiens. Diesmal vor der Parteizentrale der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der stimmenstärksten Partei unter der Leitung von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Österreich befindet sich erneut im politischen Ausnahmezustand, die kommenden Tage sind entscheidend.
Ermittler der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führten am frühen Mittwoch (6.Oktober) im Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale, im Finanzministerium und im Medienhaus der auflagenstarken Boulverardzeitung Österreich eine Razzia durch. Die Vorwürfe sind schwer: Der damalige Außenminister Kurz (in Beihilfe) und sein Team sollen 2016 dem Medium für geschönte Umfragen mehr als eine Million Euro aus Steuermitteln bezahlt haben. Im Grunde soll die österreichische Bevölkerung also selbst für ihre eigenen Fake News bezahlt haben. Der große Nutznießer: Der bald darauf zum Bundeskanzler gewählte Sebastian Kurz. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Die 104 Seiten lange Anordnung zur Hausdurchsuchung setzt Sebastian Kurz stark unter Druck*. Und seit Donnerstagabend (7. Oktober) ist bekannt, dass die Akteneinsicht noch erweitert wurde und nun von der Staatsanwaltschaft mittlerweile rund 500 Seiten an Akten freigegeben wurden - die Vorwürfe gegen Kurz und seine Mitarbeiter darin ganz ausführlich ausgearbeitet. Die strafrechtliche Seite wird von einem Gericht geklärt werden, aus politischer Sicht scheint das Fass in Österreich überzulaufen. Es droht das Ende der dritten Koalition in vier Jahren, mit der großen Anzahl an beschlagnahmten Handys und ähnlichen Geräten eine politische Bombe um noch ein Vielfaches größer als der Ibiza-Skandal.