Aus Spiel wird Krieg: Über die Verstrickungen von Politik und Fußball in der Ukraine
Frankfurter Rundschau
Die Fußballklubs Dynamo Kiew und Schachtjor Donezkaus der Ukraine haben seit Jahren ein Spannungsfeld bespielt, nun sind sie besonders betroffen vom Krieg.
Kiew – Nach Fußball ist niemand in der Ukraine zumute. Und so ziert auch die Homepage von Dynamo Kiew, dem mit Abstand populärsten Verein in dem vom Krieg geplagten Land, ein Bild von einem schwer beschädigten Gebäudekomplex. „Dies sollte auf jeder ukrainischen Website zu sehen sein. Einschlag einer Rakete aus Russland in ein Wohnhaus von Kiew“, heißt es da. Zudem leuchtet ein Statement von Andrej Schewtschenko auf, dem bei Dynamo ausgebildeten Weltstar, der bis zur EM noch als Nationaltrainer der Ukraine arbeitete.
Nach Erreichen des Viertelfinals gegen England (0:4) konnte sich Schewtschenko nicht mit dem Verband auf eine Weiterbeschäftigung einigen. Nun teilte er mit: „Ich bin jetzt in London, aber meine Mutter, meine Schwester und meine Verwandten sind in der Ukraine. Deshalb mache ich mir natürlich große Sorgen um sie.“ Einen expliziten Dank richtete das beliebte Idol „an unsere tapfere Armee, an den Präsidenten, an die Menschen, die die Ukrainer verteidigen, die unsere Interesse verteidigen. Ich bin stolz auf sie, stolz auf mein Land!“
Wie dramatisch die Situation vor Ort ist, schilderte Oleg Zadernovsky, Korrespondent des Fachmagazins „Kicker“, am Montag in einem Gastkommentar. „Statt über Tore müssen wir nun über Tote berichten. Leider konnten meine Familie und ich Kiew noch nicht Richtung Polen verlassen. Meine Tochter ist mit ihrem Mann und dem acht Monate alten Baby Wladislaw gezwungen, vor den Bombardierungen in einen Luftschutzbunker zu fliehen. Sie harren dort seit Tagen aus.“
Der für die Plattform Komanda-Online tätige Experte sieht vor allem die Verflechtungen des Energiegiganten Gazprom in den internationalen Fußball kritisch: „Dieser Gasriese, bei dem der russische Staat Mehrheitsaktionär ist, hat jahrelang riesige Summen in die russische Armee gepumpt. Blutgeld aus heutiger Sicht.“
Zadernosvky hat selbst auch kritisch über die Verbindungen zwischen dem Fußball und der Politik in seiner Heimat geschrieben. „Wir haben freie Medien. Wir berichten über Korruption, auch im Fußball.“ Tatsächlich waren die zwielichtigen Zahlungsströme bei der gemeinsam mit Polen ausgerichteten EM 2012 bei ihm oft ein Thema. Dominiert wird der ukrainische Fußball von zwei polarisierenden Großklubs: Dynamo Kiew und Schachtjor Donezk, beide eng auch mit dem Oligarchentum verflochten.