Aus allen Rohren
Süddeutsche Zeitung
900 000 Soldaten, 2800 Kampfpanzer: Putin hat viel Geld in die russische Armee gesteckt, sie ist der ukrainischen deutlich überlegen. Was hat er vor?
Wladimir Putin konnte sich im Herbst persönlich einen Eindruck von der Schlagkraft seiner Truppen machen. Während der mehrtägigen Großübung Sapad (Westen) schaute er russischen Streitkräften einen Nachmittag lang dabei zu, wie sie den angreifenden Feind in einen Feuerkessel lockten und zurückschlugen.
Auf dem Übungsplatz Mulino bot das Verteidigungsministerium alles auf, was es zu bieten hatte, darunter Raketenwerfer, Panzerartillerie, auch der neue unbemannte Panzer Uran-9 schoss aus allen Rohren. Mehr als 60 Flugzeuge unterstützten die Artillerie, von tief fliegenden Su-25, Bodenkampfflugzeugen, bis zu schweren Tupolew-Bombern. Eine Hubschrauberflotte brachte kleinere Militärfahrzeuge ins Feld, sie hingen wie Spielzeugwagen in der Luft. Gegen Ende zündeten irgendwo in der Ferne zwei Iskander-Raketen.
Nicht nur Russlands Militärübungen sind über die Jahre hinweg immer größer und komplexer geworden. Sapad 2021 habe gezeigt, schrieb der US-Militärexperte Michael Kofman in einer Analyse, dass die Jahre der Modernisierung "das russische Militär zu einer glaubwürdigen Streitmacht mit erhöhter Einsatzbereitschaft und Mobilität" gemacht haben. Nur wenige Monate später zeigte sie das auch außerhalb des Übungsplatzes: Das russische Verteidigungsministerium verlegte große Teile seiner Armee in die Nähe der ukrainischen Grenze.
Kofman war einer von denen, die früh vor einer möglichen Eskalation warnten. "Ein großer Krieg in Europa ist wahrscheinlich in den kommenden Wochen", schrieb er Ende Januar in einem Artikel über Putins mögliche Strategie. Videos im Internet machen seit Monaten für alle sichtbar, wie russische Züge Panzer Richtung Westen transportieren.
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