Auftritt im russischen Staatsfernsehen: Putin als Vater der Nation
Frankfurter Rundschau
Russlands Präsident Wladimir Putin hört sich Fragen der Menschen an, verspricht 1300 neue Schulen und jede Menge Hilfe – aber Corona streift er nur.
Moskau – Eine der ersten Fragen galt dem Coronavirus und den wenig klaren Regeln zu seiner Bekämpfung. Er sei gegen Zwangsimpfungen, antwortete Wladimir Putin, 23 Millionen Russen seien ja schon geimpft. „In der Hinsicht ist bei uns alles in Ordnung.“ Auch wenn die vaterländische Impfrate mit knapp 16 Prozent zu den niedrigsten in Europa gehört, kam Russlands Staatschef ins Plaudern: Er habe sich ja auch impfen lassen, im März, als in Russland zwei Impfstoffe auf dem Markt waren: Sputnik V und EpiWakKorona. Und er sei damals gebeten worden, darüber zu schweigen, welches Vakzin er gewählt habe, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Beides seien gute Impfstoffe, so Putin, Sputnik V aber biete etwas länger Immunität. Jetzt gab er dem Volk sein Geheimnis preis: Er habe sich mit Sputnik V impfen lassen. „Dabei richtete ich mich weniger nach den Ärzten als nach den Erfahrungen meiner Bekannten.“ Am Mittwoch veranstaltete Wladimir Putin seine achtzehnte TV-Live-Show „Direkte Linie“. Alle staatlichen Kanäle strahlten den Dialog zwischen Präsident und Volk aus, diesmal ohne Studiopublikum aus Musterbürger:innen und Prominenten. Nur zwei junge Journalistinnen flankierten ihn, mit langen offenen Haaren, die eine blond, die andere brünett. Dafür noch unmittelbarer: Aus den Regionen gab es diesmal keine von TV-Journalist:innen moderierten Live-Zuschaltungen mit mehr oder weniger ausgewählten Einzelpersonen, Fabrikbelegschaften oder Familien. Die kommunizierten mit Putin und der Fernsehnation diesmal direkt über ihre Smartphones. Unklar, ob auch das Covid-19 geschuldet ist. Gestern brachen die Pandemiezahlen in Russland mit über 21 000 neuen Fällen und 669 Toten wieder neue Rekorde. Aber in der drei Stunden und 44 Minuten dauernden „Direkten Linie“ blieb der Virus eher Randthema. Offensichtlich auch, weil im September in Russland Duma-Wahlen stattfinden. Deshalb erwarteten Politologen in Moskau schon vor der Liveshow, dass Putin sich dort vor allem den wirtschaftlichen und sozialen Nöten der Leute widmen würde. Und dazu gehört der Kampf gegen das Corona-Virus nur beschränkt.More Related News