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Auf dem Weg in die islamistische Diktatur
n-tv
Fast ein Dreivierteljahr gab es die zarte Hoffnung, dass die neuen Machthaber in Afghanistan versuchen würden, mit dem Segen der Bevölkerung zu regieren und nicht gegen sie. Doch dann trifft sich die Führungselite in Kandahar - und alle Hoffnungen für eine halbwegs freie Zukunft sind hinüber.
Fast eine Stunde wartet Flug FG267 der afghanischen Ariana Airline am 20. März auf dem Rollfeld des Hamid Karzai International Airports auf fehlende Passagiere. Die Reisenden der Business Class werden in die Economy Class umplatziert, ein Mitarbeiter des Taliban-Geheimdienstes überprüft die Maschine mit Flugziel Kandahar. Schon seit mehreren Wochen hatten viele Menschen in Afghanistan eine ungute Vorahnung, dass sich das Schicksal ihres Landes in den Tagen rund um das persische Neujahrsfest Nowruz am 21. März entscheiden könnte. Als sich das Flugzeug nun mit der gesamten Führungselite rund um den Interims-Premierminister Mullah Akhund zu füllen beginnt, ist klar, dass in den kommenden Tagen neu sortiert werden wird: sowohl die politischen Posten innerhalb der Regierung als auch die ideologische Ausrichtung des Islamischen Emirats.
Während der Zusammenkunft der Mullahs gleicht Kandahar einer hochgerüsteten Festung. Die Führung fürchtet offenbar Widerstand aus der Bevölkerung. Die Beschlüsse, die innerhalb weniger Tage gefällt werden, sind so radikal, dass sie den Grundstein für eine islamistische Diktatur und die absolute Kontrolle der Gesellschaft legen: keine Schule für Mädchen ab der 7. Klasse. Kein öffentliches Beisammensein von Frauen und Männern in öffentlichen Parks; von Montag bis Mittwoch dürfen diese nur von Frauen und kleinen Jungen bis 10 Jahren besucht werden, von Donnerstag bis Sonntag nur von Männern. Außerdem verbieten die Taliban die Ausstrahlung von Sendern der BBC, die bisher in den Landessprachen Paschto, Dari und Usbekisch berichtet haben - und eine der letzten wirklich unabhängigen Informationsquellen waren.
Die Beschlüsse werden laut Taliban-nahen Quellen allerdings nicht von der gesamten Bewegung mitgetragen. Besonders das Verbot für Mädchen, weiterführende Schulen zu besuchen, stößt intern auf Entsetzen. Zum einen sehen einige Vertreter der Interimsregierung die Glaubwürdigkeit der Taliban in Gefahr, hatte man doch erst vor wenigen Monaten Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu Bildung garantiert: Mädchen sollten ab dem 23. März wieder auf weiterführende Schulen gehen, junge Frauen auf die Universität. Zum anderen schreibt der Koran ganz eindeutig einen Bildungsauftrag für beide Geschlechter vor: Bildung ist ein Grundrecht, auch für Frauen.