Atomkraftwerke im Krieg: kaum Schutz durch Völkerrecht
DW
Um das Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine wird gekämpft. Gezielt oder versehentlich könnte eine nukleare Katastrophe ausgelöst werden. Das Völkerrecht schützt nur bedingt. Und nun die Entführung des AKW-Chefs.
Mit Sorge blickt die Welt auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Es ist das größte Kernkraftwerk Europas und liegt direkt an der Front in der Südukraine am Unterlauf des Dnjepr. Im März hatten russische Truppen das Kraftwerk in ihre Gewalt gebracht, seitdem wird es immer wieder beschossen; beide Seiten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.
Die allgemeine Beunruhigung wird durch die Meldung verstärkt, dass der Chef des Atomkraftwerks, Ihor Muraschow, nach ukrainischen Angaben von Moskauer Truppen entführt wurde. Das teilte der Präsident der Betreibergesellschaft Enerhoatom, Petro Kotin, mit. Muraschow wurde demnach am Freitag von einer russischen Patrouille am AKW-Standort Enerhodar auf der Straße gestoppt, aus dem Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort gebracht. Die russischen Behörden geben nach Darstellung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) an, ihn für Befragungen vorübergehend festgenommen zu haben.
Rafael Grossi, der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), bemüht sich weiter um eine entmilitarisierte Sicherheitszone um das Atomkraftwerk Saporischschja.
"Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um einen atomaren Unfall zu vermeiden", sagte Grossi bei der Jahrestagung der IAEA-Mitgliedstaaten in Wien: "Wenn dort etwas passiert, werden wir keine Naturkatastrophe dafür verantwortlich machen können, sondern nur unsere eigene Untätigkeit."
Die IAEA konnte Anfang September eine Beobachtermission zum Kraftwerk entsenden, das nach wie vor von ukrainischen Technikern betrieben wird - aber unter den Augen russischer Soldaten.