Atomkraft: Frankreichs schlechtes Beispiel
Frankfurter Rundschau
Deutschland sollte Frankreich bei dessen Ausbau der Atomkraft nicht folgen, aber bei den Erneuerbaren den Turbo anschalten.
Ist das die Kehrtwende in der Atomkraft-Debatte? Frankreich will neu in die Technologie einsteigen, aus der sich Deutschland vor zehn Jahren per Ausstiegsbeschluss verabschiedet hat. Während Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft europaweit von hohen, inflationstreibenden Preisen bei Strom, Erdgas, Heizöl und Sprit gebeutelt sind, behauptet Präsident Emmanuel Macron einen Ausweg gefunden zu haben: Neue, kleine, angeblich besonders sichere Nuklearreaktoren sollen Frankreich fit für die Zukunft machen. Binnen eines Jahrzehnts sollen sie marktreif entwickelt und in Serie gebaut werden, um CO2-neutrale Energie verlässlich und günstig zu liefern. Das sei die „Neuerfindung“ der Kernenergie tönte der Präsident.
Ganz so neu, wie Macron behauptet, ist die Sache nicht, und dass sie funktionieren wird, ist eher unwahrscheinlich. Trotzdem stellt sein Aufschlag eine Zäsur dar. Sie zeigt, dass Europa in der Energiepolitik eher weiter auseinanderdriftet als zusammenwächst. Paris belässt es nicht nur bei der Ankündigung, sondern steckt eine Milliarde Euro an Entwicklungsförderung in das Projekt. Deutschland hingegen wird, so nicht alles täuscht, auch unter der künftigen Regierung an seinem Atomausstiegskurs festhalten. Damit entstehen zwei konträre Modelle, wie mit der sich zuspitzenden Energie-und Klimakrise umzugehen ist.
Macron setzt auf das Konzept der „Small Modular Reactors“ (SMR) mit maximal 300 Megawatt Leistung, etwa ein Viertel des heute in Leistungsreaktoren üblichen. In mehreren Ländern werden schon seit Jahren entsprechende Konzepte entwickelt, darunter USA, Kanada und China. Einer der prominentesten Fürsprecher ist der Software-Milliardär Bill Gates, der mit seiner Nuklearfirma „Terra Power“ daran arbeitet. Allerdings ist keine der diskutierten Technologien am Markt verfügbar, es handelt sich bisher mehr oder minder um Reaktoren auf dem Papier.