Antje Rávik Strubel: „Blaue Frau“ – Wovon man nicht stirbt
Frankfurter Rundschau
Antje Rávik Strubel erzählt in ihrem Roman „Blaue Frau“ auf verschlungenen Wegen von einer Vergewaltigung.
Um Macht und Machtmissbrauch, um Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit dreht sich der komplexe Roman „Blaue Frau“ von Antje Rávik Strubel. Der Kern, um den sich ein lautloser Wirbel, eine stille Explosion entwickelt – etwas in dieser Art scheint das keineswegs blaue Umschlagbild des Buchs zu zeigen –, besteht offensichtlich (aber letztlich unausgesprochen) in einer Vergewaltigung.
„Manchmal muss man Dinge tun, die einem nicht gefallen, weißt du“, sagt der Mann, der die entsprechende Situation für einen anderen Mann einfädelt. „Ich nicht“, sagt die Frau, die soeben mit einem jähen Erschrecken gemerkt hat, dass hier etwas nicht stimmt. „Davon stirbt man nicht“, sagt der Mann, der es einfädelt. „Sind solche Anschuldigungen im Moment nicht sehr in Mode?“, fragt die Frau, der sich die vergewaltigte Frau direkt danach anvertraut.
Sie kennen sich alle nicht besonders gut, wobei die Frau, der sich die vergewaltigte Frau anvertraut, mit dem offensichtlichen Vergewaltiger zumindest etwas besser bekannt ist, ihm vertraut, ihn schätzt. Der Vergewaltiger ist ein deutscher Kulturmensch und Multiplikator. Die Frau, die findet, dass solche Anschuldigungen im Moment sehr in Mode sind, ist Schweizerin. Die Frau, die offensichtlich vergewaltigt worden ist (der Multiplikator „multiplizierte den Schmerz“, denkt sie), ist eine sehr junge Tschechin.