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Antisemitische Gewalt in Frankreich: „Wir traten die Flucht an“
Frankfurter Rundschau
In den Vororten von Paris grassiert der Antisemitismus. Tausende jüdischer Familien ziehen weg, um den immer gewaltsameren Attacken zu entgehen.
Paris – Heute wohnt Stella Bensignor in einem anonymen Wohnblock in einem anonymen Pariser Vorort. Dessen Namen will die jüdische Französin lieber nicht in der Zeitung sehen: „Man weiß ja nie, was diesen Leuten noch alles in den Sinn kommt.“
Es war an einem kalten Märztag, als „diese Leute“ Stella Bensignor das erste Mal heimsuchten. Sie brachen in ihr Einfamilienhaus in Romainville östlich von Paris ein, klauten Kreditkarten, Schmuck, Playstation und einen Scooter. Zum Glück wachten weder Stella noch ihr Mann noch ihre drei Kinder auf. Sie erstatteten Anzeige bei der Polizei. „Als ich danach eines Morgens zur Arbeit fahren wollte, hatte jemand in riesigen Lettern ‚Jude‘ und ‚Israel‘ in die Türen meines Autos gekratzt“, erzählt Stella, und es kostet sie sichtlich Überwindung. „Ich bekam weiche Knie, begann zu zittern. Und als ich den Wagen danach zum Spengler brachte, stellte er fest, dass die Muttern an den Rädern meines Opel Mokka gelöst worden waren.“
Das war zu viel für Stella Bensignor. Sie, die in Romainville auf die Welt gekommen und aufgewachsen ist, ist mit ihrer Familie in einen weniger gefährlichen Ort umgezogen. Ihr Entschluss stand fest, als ihr ein Polizist sagte, er gebe ihr einen guten Rat – und zwar als Vater, nicht als Gendarm: „Ziehen Sie weg.“