
Anne Frank: Niederländischer Verlag entschuldigt sich für umstrittenes Buch
Frankfurter Rundschau
Das Buch „Der Verrat an Anne Frank“ präsentierte den angeblichen Verräter der versteckten Familien. Nach scharfer Kritik reagiert der Verlag. Man hätte eine „kritischere Haltung“ einnehmen können.
Amsterdam – Das am 18. Januar 2022 erschienene Buch „Der Verrat an Anne Frank“ fand weltweit Beachtung. Die Frage, wer den Nazis das Versteck Anne Franks und der weiteren Verfolgten verriet, schien geklärt. Das Werk der kanadischen Autorin Rosemary Sullivan über die Erkenntnisse eines Forschungsteams aus den Niederlanden und den USA zog jedoch auch harte Kritik auf sich. Der Amsterdamer Verlag Ambo Anthos reagiert jetzt. Der Druck des Buches soll ausgesetzt werden, erklärte der Verlag laut mehreren niederländischen Medien in einer Nachricht an seine Autor:innen am Montag (31.01.2022).
Eine „kritischere Haltung“ zum Werk der Autorin wäre möglich gewesen, schrieb die Verlegerin Tanja Hendriks in der E-Mail. „Es tut uns sehr leid, dass der Inhalt eine solche Reaktion hervorgerufen hat“, heißt es in der Nachricht. Sie biete allen eine Entschuldigung an, „die sich durch das Buch angegriffen fühlen“.
Eine zweite Auflage des Buches über die angeblichen neuen Erkenntnisse zum Verrat an Anne Frank, ihrer Familie, der Familie van Pels sowie Fritz Pfeffer werde vorerst nicht gedruckt. Das verantwortliche Forscherteam soll zunächst eine Reihe kritischer Fragen beantworten.
Im Buch „Der Verrat an Anne Frank“ stellte Rosemary Sullivan die These eines 20-köpfigen Teams aus Historikern, Kriminologen und dem ehemaligen FBI-Ermittler Vince Pankoke vor. Demnach habe der jüdische Notar Arnold van den Bergh Anne Frank verraten. Er soll die Informationen über die Verstecke Geflüchteter an die Nazis weitergereicht haben, um seine Familie und sich selbst zu retten. Das Forscherteam erklärte, van den Bergh sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent schuldig.
Frans Alkemade, ein forensischer Analytiker, dessen Bericht Grundlage für die genannte Wahrscheinlichkeit war, relativierte die Interpretation laut Spiegel am Freitag (28.01.2022) gegenüber dem niederländischen Nachrichtenportal NRC. Das Ermittlerteam habe die Zahl als absolute Wahrscheinlichkeit vermarktet, obwohl es sich um eine bedingte Wahrscheinlichkeit handele. Die Zahl treffe nur zu, wenn die Daten und Fakten, die Akemade erhalten hatte, korrekt seien. Er habe keine Möglichkeit gehabt, die Daten zu überprüfen.