Anna Dorothea Therbusch: Genau nach der Natur
Frankfurter Rundschau
Zum 300. Geburtstag der Malerin, die den nackten Diderot gesehen und gemalt hatte.
Am 23. Juli 1721 wurde in Berlin Anna Dorothea Therbusch geboren. Ihr Vater war der polnische Maler Georg Lisiewski (1674-1750), der vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. wegen seines unhöfischen – man ist versucht zu sagen: bürgerlichen – Realismus sehr geschätzt wurde. Georg Lisiewski, ein polnischer Lutheraner, kam um 1700 nach Berlin. Über seine genaue Herkunft ist so gut wie nichts bekannt. Desto mehr über seine überaus erfolgreiche Tätigkeit am preußischen Hof und für die vermögende Bürgerschaft in Potsdam und Berlin. Zusammen mit seiner Frau Maria Elisabeth, die 1733 starb, hatte er neun Kinder. Drei von ihnen wurden mit ihrer Malkunst bekannt: 1. Die Porträtmalerin Barbara Rosina (1713-1783) heiratete nach dem Tod ihrer Schwester Dorothea Elisabeth 1741 deren Witwer, den Maler David Matthieu. Auch eine ihrer Töchter war eine namhafte Malerin. 2. Um Anna Dorothea, verheiratete Therbusch (1721-1782), wird es in diesem Artikel gehen. 3. Christoph Friedrich Reinhold Lisiewski (1725-1794), dessen Tochter die Malerin Friederike Julie Lisiewska war. Dies alles scheint mir deutlich zu machen, dass die im Zusammenhang von Anna Dorothea Therbusch gerne gebrauchte Bezeichnung „Ausnahmeerscheinung“ doch relativiert gehört. Als die Kunsthistorikerin Linda Nochlin 1971 – vor 50 Jahren also – ihren epochalen Aufsatz veröffentlichte „Warum es keine großen weiblichen Künstler gab“, da wies sie ganz zu Recht auf alle die Hindernisse hin, die Frauen in den Weg geworfen wurden, die Künstlerinnen werden wollten, und sie öffnete uns die Augen für den misogynen Blick der Kunstkritik. Zugleich aber war der Aufsatz der Startschuss für die Durchforstung von Sammlungen und Archiven nach der Kunst von Frauen. Ergebnis: Es gab sehr, sehr viele Künstlerinnen. Die meisten von ihnen waren die Töchter von Künstlern. Allerdings waren es wohl auch über die Jahrhunderte meistens die Söhne, die Künstler wurden.More Related News