
Anhaltende Straflosigkeit
Frankfurter Rundschau
Hinterbliebene und Überlebende rechter Gewalt sind weiter vielerorts mit verweigerter Aufklärung konfrontiert.
Mehr als ein Dutzend Menschen starben in den vergangenen 24 Monaten bei rechtsterroristischen, rassistischen, antisemitischen Attentaten und rechten Botschaftstaten. Walter Lübcke am 2. Juni 2019 in Istha bei Kassel, Jana L. und Kevin S. am 9. Oktober 2019 in Halle, Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtovic, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Paun und Fatih Saraçoglu am 19. Februar 2020 in Hanau und Alexander W. am 18. September 2021 in Idar-Oberstein. Dutzende wurden bei den Attentaten zum Teil schwer verletzt.
Im gleichen Zeitraum ereigneten sich täglich mindestens drei bis vier antisemitisch, rassistisch und rechtsextrem motivierte Gewalttaten in Deutschland, mehr als zweitausend Menschen waren davon direkt betroffen. So unterschiedlich die Tatumstände, die Ermordeten und Verletzten auch sind: Die Erfahrungen von blockierter und schleppender Strafverfolgung, verweigerter Aufklärung, mangelnder Verantwortungsübernahme, institutionellem Rassismus und Antisemitismus und materieller Not nach traumatischer Gewalt teilen allzu viele Hinterbliebene, Überlebende und Angegriffene. Ebenso wie die Erfahrung, dass rechtsextreme Netzwerke aus Elite-Polizisten und Bundeswehr-Soldaten mit offenen Sympathien für den Nationalsozialismus und die NSU-Mörder:innen potenzielle weitere Opfer für rechte Attentate ausspähen und Staatsanwält:innen und Richter:innen mit Sympathien für die AfD Ermittlungen nach rechten Angriffen hintertreiben.
Zwei Jahrzehnte nach dem rassistischen Mord an Enver Simsek, die den Anfang der Mordserie des NSU markiert, und zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios ist rassistische, antisemitische und rechts motivierte Gewalt allgegenwärtig. Als Angela Merkel im Februar 2012 Angehörigen und Überlebenden beim Gedenkakt für die Opfer des NSU in Berlin versprochen hat, „alles“ zu tun, um die Morde aufzuklären, waren im Bundesamt für Verfassungsschutz und bei zahlreichen Landesverfassungsschutzbehörden längst die Akten einer Reihe von im NSU-Unterstützernetzwerk aktiver Neonazi-V-Leute vernichtet worden.