Angespannter Besuch: Steinmeier reist nach Warschau
DW
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist nach Warschau und will vor allem nach vorn blicken. Doch in Polen hadert man noch immer mit den Fehleinschätzungen der deutschen Russlandpolitik. Das erschwert den Besuch.
Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag nach Warschau fliegt, will er mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda vor allem über die Zukunft sprechen. Doch dem Gastgeber ist der Blick in die Vergangenheit ebenso wichtig. Polen kritisiert derzeit heftig die deutsche Führungsriege für seine frühere Russlandpolitik - und für die aktuelle Zurückhaltung bei militärischen Hilfen für die Ukraine.
Steinmeier ist in Polen als einer der wichtigsten Architekten der Russland-freundlichen Politik Berlins bekannt - er war Chef des Kanzleramtes bei Gerhard Schröder und Außenminister unter Angela Merkel. Er besuchte Polen als Außenminister achtmal, als Bundespräsident fünfmal und reist damit auch als jemand an, der über Jahre zu wenig auf polnische Warnungen vor zu viel Nähe zu Moskau hörte - so sieht man das in Warschau.
Die Geschichte dieser Irrtümer geht zurück auf die Zeit, in der Steinmeier als Schröders wichtigster Mann das Nord Stream-Projekt verhandelte. Im Herbst 2005 gaben der damalige Bundeskanzler und der russische Präsident Wladimir Putin völlig überraschend den Bau einer Ostseepipeline bekannt. In Warschau löste das Empörung aus, denn das Projekt wurde über die Köpfe und Bedenken der Osteuropäer hinweg besiegelt. Polen hat das "Wirtschaftsprojekt" von Anfang an als "geopolitisch höchstbrisant" kritisiert.
Dass Berlin daran festhielt und unter Merkel auch noch die Nord Stream 2-Pipeline genehmigte, machte das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin noch schwieriger. Steinmeier verteidigte das umstrittene Gasprojekt trotz aller Bedenken aus Osteuropa - nicht nur als Außenminister, sondern auch später als Bundespräsident. Jetzt will er nach vorn schauen und im Nachbarland die Botschaft aussenden, sein Land stehe "gemeinsam mit Polen an der Seite der Ukraine" - heißt es aus dem Bundespräsidialamt. Der Krieg sei eine Zäsur und eine Zeitenwende. Der Bundespräsident sehe eine Chance für eine Annäherung im bilateralen Verhältnis zu Polen gekommen. In der Krise rücke man zusammen, hört man aus seinem Umfeld.
In Warschau ist man vor allem gespannt, wie Steinmeier mit der aktuellen Kritik an Deutschland umgeht. "Ich erwarte Sühne, Einsicht und Bedauern", sagt der polnische Politologe Olgierd Annusewicz. "Ebenso wie eine Versicherung, dass Deutschland seine Politik gegenüber Russland korrigiert". Der Experte wisse zwar, dass ein Bundespräsident operativ kaum politischen Spielraum habe, aber "Steinmeier könnte mit Symbolik zumindest ein wenig ausgleichen, was die Bundesregierung nicht liefert". Die Enttäuschung über die deutsche Zurückhaltung bei Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine sei nämlich groß, so Annusewicz.