Angeln im NDR: Marteria, Macker und toxische Männlichkeit
Frankfurter Rundschau
Rapper Marteria geht mit den Protagonisten der NDR-Serie angeln. Zwischen Fischkuttern entfaltet sich ein Fest der Männlichkeit.
Frankfurt am Main – Männer liegen sich in den Armen. Sie lachen miteinander. Erzählen sich Anekdoten vom Angeln. Von ihren Vätern auf dem Fischkutter. Sie singen Anglerlieder und klopfen sich auf die Schultern. Und sie schämen sich auch im Jahr 2023 nicht eine Sekunde für die wirkliche plumpe sexuelle Doppeldeutigkeit, die sich im Titel der NDR-Serie „Rute raus, der Spaß beginnt!“ versteckt. In diesem Format besuchen ehemalige Sportreporter Heinz Galling und der Profi-Fischer Horst Hennings bekannte Fischgründe und Angler. Mittlerweile in der 13. Staffel angekommen gehen die beiden mit dem aus Rostock stammenden Rapper Marteria, beim Angeln ganz privat unter seinem bürgerlichen Namen Marten, und dessen Kumpel „Hacki“ vor Rügen angeln. Es ein Fest der toxischen Männlichkeit.
Hacki, Heinz, Host und Marten – das sind die Namen, die es für kultige Männergeschichten braucht. Ohnehin ist an allen vieren auch alles kultig: Dass Heinz und Horst sich auch nach zwölf Jahren gegenseitig nicht auch nur einen Fang gönnen können. Oder dass sie anstelle kommunizierter Anerkennung ihre gegenseitige Zuneigung nur durch passiv-aggressives Necken im Fernsehen zur Schau stellen können. Denn das Geheimnis des Angelns ist nicht das miteinander Reden, sondern das sich gegenseitig Anschweigen und zugleich Anschreien: „Fisch!“ – „Kescher!“ – „Petri!“ – Freudenschreie. Und dann liegen sich Männer für einen kurzen Moment wieder lachend in den Armen. No homo. Selbstverständlich.
Angler sind eben echte, kultige Männer, die anstelle des miteinander Redens sich lieber ihrer eigenen toxischen Männlichkeit hingeben. Da wundert es nicht, dass Marten davon schwärmt, dass er nur zur Ruhe kommt, wenn er mit Unmengen an Ausrüstung in ein Boot steigt und kilometerweit auf die Ostsee rausfährt. Übrigens hat der Rapper sein Boot „Mary Jane“ getauft. Ein Name, der auch als Bezeichnung für Gras genutzt wird. Bezeichnend, dass Marten bei der Benennung seines Bootes offensichtlich auf dem Stand eines zugekifften 16-Jährigen stehengeblieben ist.
Beim Angeln dürfen Männer aber eben noch richtige Jungs sein. Frauen in der Angelserie? – Fehlanzeige! Sagen wir es mal so: Der Titel „Rute raus, der Spaß beginnt!“ lässt von vornherein so manche Vermutung bezüglich der in der Sendung zu Schau gestellten Männlichkeitstypen zu. Die Doppeldeutigkeit des Titels bringt allenfalls pubertierende Teenager zum Kichern. Frauen spielen in dieser Welt und in 13 Staffeln der NDR-Serie in der Regel keine Rolle. Im NDR ist ihnen meist nur der Auftritt zum Ende der Folge gestattet – der gefangene Fisch muss ja schließlich von irgendwem zubereitet werden.
„Rute raus, der Spaß beginnt!“ zeigt Männer, die gerne an der frischen Luft sind, aber keine Ahnung haben, was sie dort mit sich anfangen sollen. Bevor sie also etwas Sinnvolles in einer Gemeinschaft tun, nehmen sie lieber das Leid von Fischen am Angelhaken in Kauf, um mit diesen armen Tieren für ein Foto zu posieren. Diese Bilder sollen dann Ausdruck der Männerfreundschaft sein, sind stattdessen aber wahnsinnig peinlich und sehen obendrauf behämmert aus. „Catch and release“ nennt sich die dahinterstehende tierquälerische Praktik, die einzig dem Vergnügen des Anglers dient. Das kostete Marteria im Jahr 2018 übrigens stolze 5000€ Bußgeld. Für das Geld könnte hätte man anstatt Tiere zu quälen auch eine anständige Therapie besuchen können.