
Angeblich Erdogan beleidigt: Bekannte TV-Journalistin in der Türkei verhaftet
Frankfurter Rundschau
Weil sie angeblich Erdogan beleidigt haben soll, kommt die TV-Journalistin Sedef Kabas in U-Haft. Das Vorgehen gegen Medienschaffende hat in der Türkei Methode.
Istanbul – In der Türkei ist eine TV-Journalistin aufgrund kritischer Äußerungen über Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Sedef Kabas wurde am Samstag (22.01.2022) gegen 02.00 Uhr früh (Ortszeit) in ihrer Wohnung in Istanbul festgenommen, wie ihr Anwalt Ugur Poyras mitteilte. Demnach hatte ein Gericht ihre Festnahme wegen „Beleidigung des Präsidenten“ angeordnet.
Die Journalistin hatte am Freitag (21.01.2022) in einer Fernsehsendung bei Tele 1 die Regierung für ihr hartes Durchgreifen gegen Kritikerinnen und Kritiker sowie für ihre Polarisierung der Gesellschaft kritisiert. Später kritisierte Kabas Erdogan auf Twitter, wo ihr 900.000 Menschen folgen – ohne allerdings explizit den Namen des Staatschefs zu nennen.
„Wenn ein Ochse in einen Palast geht, wird er kein König, sondern der Palast wird zum Stall“, schrieb die türkische TV-Journalistin auf dem Kurznachrichtendienst. Der Tweet erregte große Aufmerksamkeit und bekam mehr als 140.000 Likes (Stand 23.01.2022, 08.40 Uhr). Präsidentenbeleidigung ist in der Türkei ein Straftatbestand, der mit Haftstrafen zwischen einem und vier Jahren geahndet wird.
Mitglieder des Kabinetts sowie Erdogan-Sprecher Fahrettin Altun hatten Kabas nach ihren Äußerungen als „unmoralisch“ und „unverantwortlich“ bezeichnet. „Eine sogenannte Journalistin hat glattweg unseren Präsidenten in einem Fernsehsender beleidigt, der kein anderes Ziel hat, als Hass zu verbreiten“, teilte Altun auf Twitter mit. „Ich verurteile diese Arroganz, dieses Fehlen von Moral auf das Schärfste“, fügte er hinzu.
Kabas Anwalt Ugur Poyras sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass er gegen die „unrechtmäßige“ Entscheidung Beschwerde einlegen werde. „Wir hoffen, dass die Türkei bald zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehren kann“, so der Jurist. Merdan Yanardag, der Chefredakteur des Senders Tele 1, kritisierte die Festnahme ebenfalls scharf. „Ihre Verhaftung nachts um 2 Uhr wegen eines Sprichworts ist inakzeptabel“, schrieb der Journalist auf Twitter. „Diese Gangart ist ein Versuch, Journalisten, Medien und die Gesellschaft einzuschüchtern.“