Andrew Cyrille Quartet: „The News“ – Reiche Ernte auf dem Weg ins Freie
Frankfurter Rundschau
Andrew Cyrille und sein aktuelles Quartett mit dem Album „The News“.
Für Bill Frisell ist ein Berg offenbar kein Anlass für umfangreichere Testosteron-Ausschüttungen und Unterwerfungs-Fantasien. Er will als Bergsteiger nicht den Berg bezwingen, sondern wahrnehmen und erkunden. Zumindest legen seine Komposition „Mountain“ und die Art, wie die Mitglieder des Quartetts das Stück mitgestalten, eine solche apollinische Beziehung zur umgebenden Natur nahe. Die Gitarre verwendet feinsinnige Aquarellfarben, parallel arbeiten Bassist Ben Street, Pianist David Virelles und Schlagwerker Andrew Cyrille behutsam an landschaftlichen Details. Auch wenn die Gitarre hier das tonangebende Instrument ist, scheint der Aufbau des Stücks doch in einem gemeinsamen Atem zu geschehen.
Der Bandleader aber ist Andrew Cyrille, der anderthalb Jahrzehnte lang mit dem nach wie vor unbeschreiblichen Pianisten Cecil Taylor zusammengearbeitet hat. Sein vorletztes Album war eine mit seiner Band gemeinsam formulierte musikalische Unabhängigkeitserklärung („Declaration Of Musical Independence“, 2019), nun folgt man (in leicht veränderter Besetzung, für Richard Teitelbaum kam David Virelles an den Keyboards ins Quartett) dem seinerzeit begonnenen Weg ins Freie. Cyrille ist als Schlagwerker stilistisch kaum festgelegt, er spielt lyrisch, klangvoll und zart oder legt mit großer Vehemenz und starkem Druck los – je nachdem, was nötig erscheint.
Auf dem aktuellen Album seiner Band herrscht eine Art, wenn man das so sagen darf, altersweiser Gelassenheit. Nein, keine greisenhafte Zurückhaltung aus Mangel an Vitalität und Substanz, eher ein souveräner und wählerischer Überblick bei einer reichen Ernte.