Als zwei Teile von Deutschland orange wurden
n-tv
75 Jahre ist er her, dass zwei Orte im Westen von Nordrhein-Westfalen niederländisch wurden. Später kehrten sie zu Deutschland zurück - und es gibt manch einen Bewohner, der das noch heute bedauert.
Heinrich Cremers hat seinen Geburtsort Selfkant nie verlassen und doch 14 Jahre lang in einem anderen Staat gelebt. Von 1949 bis 1963 war der heute 89-jährige Einwohner des Königreichs der Niederlande, denn damals wurde der westlichste Zipfel Deutschlands dem Nachbarland einverleibt, ebenso wie das weiter nördlich gelegene Elten, heute ein Stadtteil von Emmerich. Wenn es nach Cremers gegangen wäre, wäre Selfkant für immer niederländisch geblieben: "Das war eine schöne Zeit, wie wir bei Holland waren. Eine sehr gute Zeit", erinnert er sich.
Es war der 23. April 1949 als in beiden Orten die rotweißblaue Flagge gehisst wurde. Ursprünglich hatte die Regierung in Den Haag sogar vorgehabt, große Teile von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu annektieren - als Wiedergutmachung für die von Deutschland verursachten Kriegsschäden während der fünf Jahre dauernden Besatzung der Niederlande. Die USA und Großbritannien stellten sich aber quer, weil sie das Potenzial Westdeutschlands im heraufziehenden Kalten Krieg gegen die Sowjetunion nutzen wollten. Das Einzige, was die Niederlande ergattern konnten, waren die beiden Ortschaften mit insgesamt bloß ein paar tausend Einwohnern.
Die Annexion hatte von Anfang an etwas Unentschlossenes. So behielten die Einwohner von Selfkant und Elten ihre deutschen Pässe, allerdings mit dem Vermerk "Wird als Niederländer behandelt". "Das war so ein Mischstatus", erläutert der Politologe Tim Terhorst, der über die niederländische Zeit in Elten seine Magisterarbeit geschrieben hat. Der Club Fortuna Elten wurde in den Königlich-Niederländischen Fußballverband eingegliedert, die Straßen bekamen niederländische Namen, Verkehrsschilder und Briefkästen wurden ausgetauscht.