Als der Bscheißer zum Bschießer wurde
Süddeutsche Zeitung
Mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs wurden im Alpenraum viele als besonders derb und anstößig empfundene Bergnamen verändert beziehungsweise geschönt. Selbst frühe Formen des Genderns lassen sich auf heutigen Landkarten nachweisen.
Schmucke Dörfer, blühende Bergwiesen, hohe Gipfel - das Allgäu ist unbestritten eine der lieblichsten Regionen Deutschlands. Weniger idyllisch sind die Namen, mit denen die Bauern einst einige ihrer schönen Berge bezeichneten: Bscheißer, Hundsarsch, Metzenarsch. Doch auf heutigen Landkarten finden sich diese Bezeichnungen nicht mehr. Es handelt sich um frühe Fälle der Bereinigung von als anstößig empfundenen Namen.
Der Bscheißer liegt wenige Kilometer von Bad Hindelang entfernt. In offiziellen Veröffentlichungen ist der Berg jedoch nur als "Bschießer" zu finden. Die korrekte Bezeichnung findet sich lediglich auf den örtlichen Wanderwegweisern. Was ist der Grund? "Diese Form ist natürlich ganz derb, und Bschießer ist eher eine euphemistische Lautveränderung", sagt Wolf Armin von Reitzenstein, Spezialist für Bergnamen und zweiter Vorsitzender des Verbands für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern.
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"Diese amtliche Form taucht erst relativ spät auf, noch 1844 heißt der Berg Scheißer oder Bscheißer." Ein Indiz, wie schwer einst das Leben der Bergbauern war. "Das ist durchaus wörtlich zu nehmen für Berge, die gefährlich sind, da sie Steine herunterlassen", sagt Reitzenstein. "Es gibt da auch die Namen Schüsser, Hochscheißer und Fürschießer. Damit ist besagt, dass Lawinen oder Geröll herabfallen können, was natürlich für die Almwirtschaft gefährlich sein kann."
Behördlich zensiert wurden demnach auch Hundsarsch und Metzenarsch. Ersterer heißt seit über hundert Jahren "Vilser Kegel", Letzterer wurde zur "Kellespitze". "Metze" ist eine alte Bezeichnung für Prostituierte. Das Wort Metze gehe letztlich auf Maid zurück, sagt Reitzenstein. "Es muss also nicht eine Hure sein, der Name des Berges ist aber sicher besonders negativ gemeint."