
Allmählich wurde aus dem „Doktor“ ein „Tyrann“
Die Welt
Jahrzehntelang war er nur „der große Wedel“ – am Set nannte man ihn den „Doktor“. Dann kam MeToo und Dieter Wedels filmisches Werk trat in den Hintergrund. Tatsächlich ist es eine Chronik der bundesdeutschen Befindlichkeiten. Nachruf auf einen schwierigen Mann.
Beginnen wir mit einer Eloge des Produzenten Nico Hofmann zum 75. Geburtstag des Regisseurs Dieter Wedel: „Er ist ein Mann mit einer unglaublichen kreativen Energie, auch mit großer Jugendlichkeit.“ Er schätze sein „Gespür für den Zeitgeist“, wie er politisch kontroverse Stoffe anpacke, er sei „auf tolle Weise ein Querdenker.“ Beeindruckend sei Wedels „starker Zugang“ zu Schauspielern. Und: „Er hat klare Visionen von seinen Figuren, hat ein unglaubliches Rhythmusgefühl, arbeitet mit großer Sorgfalt und ist ein Perfektionist.“
Die Agentur dpa verbreitete Hofmanns freundliche Worte im November 2017. Im Januar 2018 dürfte Hofmann gewünscht haben, sie nie gesagt zu haben, als mehrere Schauspielerinnen Wedel im „Zeit-Magazin“ der sexuellen Belästigung und der Vergewaltigung beschuldigten. Aus dem „großen Wedel“, wie er in Anspielung auf seinen Mehrteiler „Der große Bellheim“ von den Medien getauft worden war, wurde in kürzester Frist ein Paria der Branche – der einzige deutsche Prominente, der in Folge von MeToo geweinsteint wurde. Man glaubt es immer noch nicht, dass er der einzige Missetäter gewesen sein soll.