Alles ist Satire im hr: Schwachsinnsartilleristen der Querdenkenbewegung
Frankfurter Rundschau
„Radikal komisch – Die Macht der Satire“ - diesem komplexen Thema widmet sich eine Dokumentation im hessischen Fernsehen. Eins vorab: Satire ist männerdominiert.
Das Ensemble ist dasselbe, die Themen sind neu, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Ich habe wieder den Fernseher bemüht, damit Sie nicht Florian Schroeder zuhören müssen. Schnell den guten Tropfen (friesisch herb) aus dem Kühlschrank herantragen und weiter geht es mit der zweiten Folge der dreiteiligen Kurzserie „Radikal komisch – Die Macht der Satire“ im hr-Fernsehen vom Donnerstag, den 10. Februar um 22:30 Uhr. Über die erste Episode berichtete ich letzte Woche.
Schnell fällt auf, dass die Wortbeiträge diesmal anscheinend nicht ganz ausreichend waren, um die angesetzte halbe Stunde mit Inhalt zu füllen, weshalb auf lange Einspieler dramatischer Szenen von Straßenschlachten, Raketenbeschuss, Naturkatastrophen, Protesten und Demonstrationen sowie Flucht und Vertreibung zurückgegriffen wird, um ein angemessen düsteres Bild der Gegenwart zu zeichnen. Um das Grauen noch zu untermalen, wird auch nicht davor zurückgeschreckt, angsteinflößende Fratzen der großen Welt-Politik einzubinden, die eine ähnliche Wirkung wie Schockbilder auf Zigarettenschachteln entfalten. Gekonnt eröffnet Shahak Shapira dann auch das Feuer und konstatiert, dass man heute offenbar von Comedians erwarte, Politik zu machen, „weil die Politiker jetzt alle zu Clowns geworden sind.“
In dieser Folge kommen nun mehr ungewollte komische Redner (ja, alles Männer) zu Wort in Form von ganz besonders ausgeprägt irren Schwachsinnsartilleristen der Querdenkenbewegung. In diesem Rahmen ist dann auch die große Stunde des Florian Schroeder gekommen, dessen Rede bei Querdenken Stuttgart gezeigt wird und ja, auch ich kann nicht anders, als diesem denkwürdigen Auftritt meine Hochachtung zollen. So komme ich auch nicht umhin, Schroeder hier zu zitieren, denn mit dem Satz „Es ist ernster geworden und darauf reagiert die Satire mit deutlich mehr Haltung“ fasst er dieses Glanzstück seines Schaffens passend zusammen. Mit dem Nachtrag „Manchmal fehlt mir auch ein bisschen die Leichtigkeit“ rundet er das Ganze noch sauber ab.
Über die Folge verstreut werden Sprache und Ziele der Satire immer wieder zum Thema und auch die unterschiedliche Wahrnehmung im Wandel der Zeit. Gerade in den letzen Jahren häuften sich die Vorwürfe von Sexismus, Rassismus oder Ableismus gegenüber gegenwärtigen aber auch früheren satirischen Werken. Während sich der frühere Kançler-Kandidat der Die PARTEI Serdar Somuncu darüber beklagt, für sein Programm keinen „Maulkorb“ anlegen und statt dessen weiterhin alles sagen zu wollen sieht PARTEI-Vorsitzender und Europaabgeordneter Martin Sonneborn fehlendes Verständnis für „uneigentliches Sprechen“ in der breiten Gesellschaft als Problem.
Verständnisvoller zeigt sich Autorin und Titanic-Kolumnistin Ella Carina Werner, wenn junge Menschen bestimmte Witze heute nicht mehr hören wollen. Christina Schlag vom Browser Ballett stellt fest, dass Minderheiten und marginalisierte Gruppen mittlerweile eine Stimme bekommen haben und sich zu Recht dagegen wehren, wenn man sich über sie lustig macht. „Man ist sensibler geworden“, hält sie fest, jedoch „müssen [wir] auch aufpassen, dass wir nicht zu viel ‚beachten‘.“ Satire hat, so Schlag, den Auftrag zu provozieren und „wenn ich Reaktionen rauslocken will, dann muss ich auch mal ein bisschen über die Stränge schlagen.“