Alina Bronsky: „Barbara stirbt nicht“ – Der alte Knacker in der Küche
Frankfurter Rundschau
„Barbara stirbt nicht“: Alina Bronsky bringt uns dazu, für eine Person Gefühle zu entwickeln, die wir im wirklichen Leben womöglich nicht gut leiden könnten.
Wenn Liebe durch den Magen geht, dann gibt es sehr viel Liebe in diesem Buch. Es geht hier ständig ums Essen. Aber vor allem geht es um Walter Schmidt, einen alten Mann, der sich selbst auf keinen Fall so bezeichnen würde, und der nie gelernt hat, Kaffee zu kochen, weil seine Frau Barbara das immer für ihn tat.
Herr Schmidt, wie er im Erzähltext konsequent genannt wird, ist ein Mann ganz alter Schule. Und so steht er zu Beginn des Romans ratlos in der Küche, weil er nicht weiß, wie viel Kaffeepulver man nehmen muss für die Zubereitung des morgendlichen Heißgetränks. Barbara kann ihn heute nicht umsorgen, weil sie im Bad umgefallen ist und nun im Bett liegt und unendlich müde ist. Dass Barbara nie mehr gesund werden wird, weiß Herr Schmidt an dieser Stelle noch nicht; und auch später, wenn er es wissen könnte und sollte, wird er es vorziehen, sich diesen Umstand nicht wirklich einzugestehen.
Alina Bronsky erzählt ihren neuen Roman ganz aus der Perspektive ihres Protagonisten, der uns möglicherweise unsympathisch wäre, wenn wir ihm im wirklichen Leben begegneten, denn er ist ein rechter Grantler und ein furchtbarer Reaktionär. Und so ist es kein kleines Kunststück, wenn die Autorin es schafft, dass wir das zwar einerseits begreifen, uns andererseits aber dennoch mit dem verbohrten alten Knacker identifizieren und mit ihm mitfühlen – oder besser: für ihn fühlen.