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Alida Bremer: „Träume und Kulissen“ – Spuren von Split
Frankfurter Rundschau
„Träume und Kulissen“: Alida Bremer taucht in ihrem neuen Roman über die Hafenstadt Split in Tiefenschichten einer unbekannten Welt.
Reisen auch unsere Künstler in fremde Länder? So wie es diese Deutschen tun, und drehen Filme oder schreiben Bücher über diese Länder, in denen sie alles durcheinanderbringen, ohne sich um Wahrheit und Wirklichkeit zu kümmern?“ Die Frage, die im Roman Šjor Martic dem Maestro stellt, müsste man in der realen Welt mit einem klaren Nein beantworten. Wer etwa am Ostufer der Adria lebt und schreibt, ist vollauf damit ausgelastet, einem unverständigen Publikum die Besonderheiten, Reize und Merkwürdigkeiten seiner eigenen Heimat nahezubringen. Warum sollten „unsere Künstler“ in fremde Länder reisen? Sie sind ja immer schon dort, im fremden Land! Die Hafenstadt Split, ihr Geburtsort, ist die eigentliche Protagonistin des neuen Romans von Alida Bremer. Eine würdige: Entstanden aus einem einzigen Gebäude, dem Palast des römischen Kaisers Diokletian, ist die Altstadt ein europäisches Kuriosum – ein Labyrinth aus Kavernen, Höhlen, Gängen, Mauern und Türmen, antiken Palästen und schmalen Durchlässen, überbaut von immer neuen, höheren Häusern, Häuschen und Hütten aus sechzehn Jahrhunderten. Alle Sinnesorgane hält Split in seinem Bann. Hinter jeder Ecke riecht es nach bratendem Fisch, Tomaten, Kräutern. „Von überall hörte man Schritte, Stimmen, Gesang, Geklapper, Geklirr, Geklimper“. Barockes Pathos durchtränkt den Straßenklatsch. „Plötzlich wurden aus syphilitischen Prostituierten Heilige, Alkoholiker, die in ihrer Trunkenheit aussprachen, was alle heimlich dachten, Propheten, und ausgediente Soldaten ohne Obdach, Helden.“ Belebt ist hier selbst der Himmel. Wolken ziehen auf „wie bucklige Schäfchen, jedes mit einem Türmchen auf dem Rücken oder gar einem Dutt auf dem Kopf. Die ganze Herde galoppierte über das Meer Richtung Horizont, und hinter ihr trotteten riesige graue Wolken, als wären sie Wölfe, unschlüssig, ob sich die Verfolgung lohnt.“ Sätze, die ohne Umweg in Nase, Auge, Ohr und Fingerkuppen gehen.More Related News