
Afghanistan: Deutsche Politik muss jetzt Leben retten
Frankfurter Rundschau
Gastbeitrag von Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt: Warum wir ein 100-Tage-Programm zur Aufnahme von besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen brauchen.
Schmählich wurden in Afghanistan viele, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, zurückgelassen. In den vergangenen Monaten hat die Regierung das Thema aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, die Zahl der Aufzunehmenden wurde immer kleiner, die Kriterien immer enger ausgelegt. Es ist absurd, dass nicht die Gefährdungslage in Afghanistan das Handeln bestimmte, sondern das Ziel, so wenigen Menschen wie möglich die Einreise zu gestatten. Nach Monaten des Stillstandes und des Wartens ist es höchste Zeit, dass die faktische Regierungslosigkeit in Deutschland nun zu Ende geht – auch mit Blick auf die Aufnahme schutzsuchender Afghan:innen.
Es ist erfreulich, dass die Ampelkoalition angekündigt hat, ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghanistan zu schaffen. Die Bundesländer müssen dabei mitziehen, ohne sie wird es nicht gehen. Gemeinsam müssen Bund und Länder die Kriterien, wer als verfolgt gilt, realitätsgerecht gestalten. Die heute beginnende Innenministerkonferenz bietet eine gute Gelegenheit dazu.
Da ist zum Beispiel Sahar, eine 23-jährige Afghanin, die alleine als unverheiratete Frau, die noch dazu einer Minderheit angehört, in Afghanistan zurückblieb. Ihr Vater hatte für die Bundeswehr gearbeitet, die Familie wurde nach Deutschland geflogen, aber weil Sahar volljährig ist, durfte sie nicht mitkommen. Oder Familie Ahmadi: Mutter, Vater und drei Töchter, die in Kassel leben. Ihr zehnjähriger Sohn und Bruder aber ist noch immer in Kabul bei einer Tante; die Eltern vergehen vor Sorge. Der kleine Abdullah hat keine Chance, zu seiner Familie nach Deutschland zu kommen, weil die Eltern hier nur geduldet sind.