"Adieu liberté"? - Wie frei wird Frankreich nach den Wahlen?
DW
Die Spannung steigt: Am 24. April kommt es zur Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Romy Straßenburg, Journalistin und Autorin, schaut kritisch auf die zweite Wahlrunde.
DW: Frau Straßenburg, ihr Buch heißt "Adieu liberté - Wie mein Frankreich verschwand". Um welches Frankreich geht es dabei?
Romy Straßenburg: Ich habe, wie viele junge Deutsche, vor allem Frauen, eine relativ illusionäre Vorstellung von Frankreich gehabt. Ich habe gedacht: Es ist das Land der Freiheit und dieses "savoir vivre", was mir immer ein bisschen gefehlt hat in Deutschland. Dieses Frankreich habe ich dann, als ich hier gelebt habe, sehr schnell verschwinden sehen.
Beziehungsweise habe ich gemerkt: Zum einen ist es eine Illusion. Es ist eine Gesellschaft, die viel hierarchischer funktioniert, als ich das von Deutschland aus kannte. Zum anderen war es ein Zeitpunkt, als auch die Freiheit ganz real verschwand. Und das hat sich mit den Anschlägen 2015 nochmal maximiert - das war ein ganz anderes Frankreich. Und da ist mir erst aufgefallen, wie wenig frei ich hier eigentlich war, nicht zuletzt durch meine Arbeit bei Charlie Hebdo. Zum anderen ist die Freiheit auch mit der zunehmend repressiven und neoliberalen Politik verschwunden, die immer mehr Zwänge auferlegt hat.
Was spaltet Frankreich derzeit?
Die Kluft ist extrem groß. Es gibt Leute, die wirklich gucken müssen, wie sie am Monatsende noch den Kühlschrank voll bekommen. Ich gebe immer das Beispiel mit dem Nutella-Glas: Es gab 2018 eine Nutella-Promoaktion der großen Supermärkte auf dem Land. Da haben die Leute diese Gläser gerafft. Davon gab es Aufnahmen bei Social Media und man hat sich lustig gemacht: "Oh Gott, die essen so ungesund und schmeißen sich auf die Promo!" Das war der Diskurs in den Sphären hier in Paris.