Absurde Angelegenheit
Süddeutsche Zeitung
Der Weg zur Impfpflicht in Österreich ist mit Seltsamkeiten und Ausnahmen gepflastert. Warum Deutschland genau hinschauen sollte.
Kennen Sie den schönen Begriff "eine österreichische Lösung"? Damit werden in Österreich Kompromisse tituliert, die nicht Fisch, nicht Fleisch sind; ein bisserl streng, aber eben nur ein bisserl, um niemanden dauerhaft zu verärgern. Positiv gesehen ist sie also das Ergebnis eines Kompromisses - oder, wenn man es nicht so gönnerhaft sehen möchte, das Ergebnis von Entscheidungsschwäche. Die allgemeine Corona-Impfpflicht in Österreich ist das aktuellste Beispiel dafür.
Der Weg zu ihrer Umsetzung ist mit Seltsamkeiten gepflastert, die sich eigentlich nur darauf zurückführen lassen, dass sich die Politik nicht sicher zu sein scheint, ihr Gesicht zu wahren versucht, ja keinen Fehler zugeben mag - und es sowieso jedem recht machen möchte.
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In der Praxis sieht das nun so aus: Als Ungeimpfter begeht man wegen seiner Ungeimpftheit ein strafbares Vergehen - darf aber getestet wieder ins Restaurant. Denn seit Samstag ist die allgemeine Corona-Impfpflicht in Kraft. Und von kommender Woche an gilt im ganzen Land, mit Ausnahme der vorsichtigeren Bundeshauptstadt Wien, wieder die 3-G-Regel in der Gastronomie.
Nicht weniger seltsam ist, dass das Gesetz erst von Mitte März an wirklich Konsequenzen haben wird. Die Polizei kann erst dann den Impfnachweis prüfen und gegebenenfalls einen Verstoß anzeigen. Zu einem automatischen Datenabgleich, um Ungeimpfte zu eruieren, kommt es laut Gesetz überhaupt zu einem noch späteren Zeitpunkt, der noch gar nicht fixiert ist. Da überrascht es wenig, dass die Impfquote zuletzt nicht mehr wirklich gestiegen ist.