9. Mai: Zerreißprobe für russischsprachige Community
DW
Es ist der Jahrestag, an dem Russland den Sieg über Hitler-Deutschland feiert. Die prorussischen Demos in Deutschland könnten dann ihren Höhepunkt erreichen - und die russischsprachige Gemeinschaft weiter spalten.
Es geht ein Riss durch die russischsprachige Gemeinschaft in Deutschland - zwischen prorussischen Demonstranten, die öffentlichkeitswirksam in Autorkorsos durch Städte rollen, und der großen Mehrheit der Putin-Kritiker, die den russischen Angriffskrieg auf Solidaritäts-Kundgebungen für die Ukraine verurteilen. Es ist ein Riss, der Familien, Freunde, Beziehungen spaltet, zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen führt.
Am 9. Mai dürfte er noch tiefer werden. Denn an dem Tag, an dem Russland seinen wichtigsten Feiertag zelebriert, den Sieg der Roten Armee über Hitler-Deutschland 1945, wollen prorussische Gruppen wieder auf die Straße gehen. In den vergangenen Jahren missbrauchte Putin das Gedenken immer mehr für seine Propaganda. Das dürfte in diesem Kriegsjahr eine noch größere Rolle spielen, auch in Deutschland.
"Es wächst die Sorge, dass die zahlreichen angekündigten Events zum Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. und 9. Mai - in Berlin sind es laut Landeskriminalamt schon 30 - zu einer Eskalation führen könnten", sagte Fabio Ghelli vom Mediendienst Integration, einer Informations-Plattform zu den Themen Flucht, Migration und Diskriminierung. Eine Befürchtung, die Medina Schaubert teilt. Die ehrenamtliche Geschäftsführerin des Berliner Vereins Vision klärt russischsprachige Menschen über die Staatspropaganda des Kreml auf und warnt davor, dass Berichte über Putin-freundliche Demos ein verzerrtes Bild der russischsprachigen Gemeinschaft in Deutschland zeichnen könnten.
"Dagegen versuchen wir anzukämpfen", sagte Schaubert auf einer Online-Informationsveranstaltung des Mediendienstes Integration. Denn Berichte über Kundgebungen von Putin-Sympathisanten spielten der russischen Propaganda in die Hände. "Sobald hier ein Autokorso stattfindet, stellt RIA Novosti [Red.: Die russische Agentur für internationale Informationen] auf ihrem Online-Portal sofort ein Video dazu ein." Mit potenzierendem Effekt. Denn die Videos würden wiederum auch von noch verunsicherten Russischsprachigen gesehen, sagt Schaubert, "die sich unter dem Einfluss der Propaganda fragen, da gehen doch die Leute dafür auf die Straße, warum nicht ich?"
Der russischsprachigen Community in Deutschland gehören rund 3,5 Millionen Menschen an. Darunter sind Zugewanderte aus Russland, aber auch aus anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Aktuelle Daten, über welche Medien sie sich informieren, gibt es allerdings nicht. Die russischen Staatsmedien spielen in einigen Haushalten allerdings eine wichtige Rolle, mit spalterischer Wirkung. Umso wichtiger sei es, erklärte Medina Schaubert, über Gegendemonstrationen und Solidaritätskundebungen für die Ukraine zu berichten, "von denen es am 8. Und 9. Mai sehr viele geben wird".